Kommen die Braunbären zurück?

Ein für Bayern unrühmlicher Besuch 1996 von „Bruno“ und 2019 wieder im Allgäu gesichteter Braunbär, die Wanderschaft der Lausitzer Wölfe, tödliche Gastrollen von Luchs und Wolf in Baden-Württemberg bis hin zum illegalen Abschuss, stets geraten sie in die aktuellen Schlagzeilen oder werden Stars unserer Mediengesellschaft: „Bruno“ wurde eine TV-Komödie „Der Bär ist los!“ gewidmet; die Lausitzer Wölfe im „Polizeiruf 110 Wolfsland“ eingescannt und im Tatort „Tod im Luchswald“ die Funde zweier grausam getöteter Luchse im Bayerischen Wald aufgearbeitet.  Müssen wir uns an die Tiere gewöhnen? Und welche Ängste wecken sie?

Die von Dr. habil Henrik Hartmann (Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Jena) getroffene Feststellung „Der Wald wird bei uns stark romantisiert… und verirrt sich doch mal ein ernstzunehmendes Wildtier in unsere Wälder – ob Bär Wolf oder Luchs“ – ist meist Schluss mit der Romantik“. Großraubtiere in freier Wildbahn bergen immer ein Restrisiko. Der grenzübergreifende Naturpark Nagelfluhkette (Allgäu und Bregenzerwald) kreierte hierzu den Slogan: 

 – besser jedoch seine, denn er ist eindeutig der Größte im Wald (aufgerichtet sind sie ∅ zw. 1,70 + 2,20 m, die Riesen bis zu 2,80 m groß; je nach Verbreitungs-gebiet variiert das Gewicht zw. 100 + 350 kg. In allen Populationen aber sind ♂♂ erheblich schwerer als ♀♀ ) entsprechend furchtlos, zudem sehr intelligent und neugierig. 

Auf eigene über 30-jährige Erfahrungen als Wildfotograf in den Bärenrevieren von Skandinavien und Osteuropa und die der Förster*innen in den Wäldern und Auenlandschaften der Nationalparke N.P. Vysoké sowie Nizke Tatry/ Slowakei und Tatrzański Park Narodowy sowie Bieszczadzki Park Narodowy/ Polen zurückblickend, insbes. aber auch nach der 3-monatigen Exkursion mit dem VW-Bus in den Nationalparks von Kanada und Alaska und den dabei erfolgten Begegnungen mit Grizzlys Ursus arctos horribilis (Foto links: Grizzly …morgens am Zelt: „Wirkt wie ein Eimer Kaffee“… denn „Bärenbesuch weckt die Lebensgeister!“) und Schwarzbären Ursus americanus (F: Chugach National Forest/AK-US), bleibe ich dabei: Grundsätzlich brauchen wir keine Angst zu haben, sollten ihm aber mit Respekt begegnen. Bei den Alaska State Troopers galt wohlweislich der Spruch „Glaube nie, dass du schlauer bist als ein Bär“

Der Bär reagiert in der Regel mit Reißaus, wenn er Menschen begegnet. Wird er aber beim Fressen gestört, kommen wir ihm oder seinen Jungen zu nah oder ist er zu sehr an uns gewöhnt (z. B. durch Füttern), kann Aggressivität den Flucht-instinkt vertreiben. Problematisch ist seine nicht lesbare Mimik. Experten können selbst am Gesichtsausdruck nicht unterscheiden, ob er müde oder angriffslustig ist (PS: Von 500 Begegnungen in Österreich waren nur 5 Schein-angriffe!): „Der Bär läuft in Richtung Mensch, dreht dann aber ab – damit bluffen sie“, so Christian Pichler vom WWF Österreich. Vorwort Dr. Slavomir Finďo in „Dem Braunbären auf der Spur“ (Michaela Skuban; 978-3-7020-1327-1) Obwohl die potenzielle Gefahr einer Begegnung in freier Wildbahn nicht unterschätzt werden sollte, darf man aus ihnen keine Bestien machen, da sie weder grundlos noch aus Blutgier angreifen.“ 

Mit den Wolfskonflikten und in der Diskussion um Bär „M13“ ( † 2/2013… ein Spardosenabschuss? (Monitoring 135.000 CHF/Jahr, danach ≈ 30.000 CHF/ Jahr≈ 30.000 CHF/Jahr) in der Schweiz wurde öfter die Ansicht geäußert, sie sei zu dicht besiedelt für ein Zusammenleben mit den Großraubtieren. Von der Bevölkerungsdichte ‚BD‘ hängt ab, wie viele naturbelassene Flächen * es gibt. Eine geringe BD begünstigt Vorkommen ursprünglicher Faunen aufgrund der geringeren Konfliktpotentiale zw. Menschen u. Wildtieren. „CHWolf“ hat die BD der Gebiete in West- und Mitteleuropa mit Populationen von Bären und Wölfen mit denen der Schweiz verglichen = viel dünner besiedelt (z.B. Kt. Graubünden mit 27 Einw./km²  – Deutschland 231 Einw./km²) und weist damit potentiell mehr Rückzugsgebiete für Großraubtiere auf; die meisten Regionen im europ. Ausland (bei Brașov/RO die höchste Bärendichte weltweit = 1 Expl./ km²) sind sogar dichter besiedelt als der CH-Alpenraum. Fazit: Großraubtiere sind sehr anpassungsfähig und können in Kulturlandschaften mit hoher BD leben, ohne dass es zu untragbaren Konflikten oder Gefahrensituationen kommt.  * Deutschland insges. 357.595 km², davon in % = 50,4 Land-, 29,9 Wald-, 2,3 Wasserwirtschaft, 2,9 Sonstige (inkl. Abbau-, Umland und Gehölz), 14,5 Siedlungs- und Verkehrsfläche UBA 17.11.23/StBA.

Als Kind war er als „Teddy“ unser bester Freund, obwohl er zu den größten und gefährlichsten Raubtieren der Erde gehört. Noch heute missverstehen viele Menschen seinen wahren Charakter, verniedlichen und behandeln ihn wie einen „Kuschelbären“, mit gelegentlich schweren Konsequenzen für uns „Zweibeiner“.

Der Bär kennt neun Lieder, sie handeln alle vom Honig… aus „Die große Welt der Sprüche“ (sprueche-universum.de)

Speisekarte Braunbär: Beeren, Gräser, Kräuter, Blätter, Blüten, Pilze, Würmer, Insekten,Larven, Totholz, Wurzeln, Knollen, Samen, Bucheckern, Nüsse, Eicheln (80 % seiner Nahrung sind vegetarisch), Wild, schwache oder verendete („Fallwild“) Tiere (v.a. Huftiere, wodurch das Ausbreiten von Krankheiten eingedämmt wird) vorrangig zum Ende des Winters, z.B. Reh-, Gams-, Rotwild (in Skandinavien Elche [26 % der Elchkälber werden in Schweden von Braun-bären gerissen, davon 98 % in den 1. vier Wochen], Rentiere, Weißwedelhirsche, Berglemminge), Vögel und Eier, Fische, kleine Säuger von der Maus bis zum Biber; wenn ungeschützt auch Schafe, Ziegen u.a. Nutztiere, Obst, Maronen und Bienenstöcke (HF „Finnland – Nordskandinavien“ F-Serie + „Lebensraum Moor“ Teil ITeil II + pdf).

Beispiel Schweiz: 2 Bären, 25 Wölfe, 160 Luchse; trotz stetem Aufwärtstrend blieben die Bestände auch ’14 übersichtlich. Die Risszahlen stiegen nicht an; die Diskussion um Großraubtiere in der Schweiz wird aber immer vergifteter News 3/2015. 101 Schafe und Ziegen, 1 Rind und 5 Esel haben Bär und Wolf zw. ’12 + ’14 in Graubünden (im vergangenen Jahr verbrachten 54.300 Schafe den Sommer auf einer Alp) gerissen, %-ual ein kleiner Verlust; jährlich während der Sömmerung gehen 2 – 3 % des Bestandes verloren = 4.-6.000 Schafe und Ziegen durch Krankheiten bzw. Unfälle (↯↯, Steinschläge, Felsstürze); durch Wölfe jeden Sommer zw. 150 – 300 Expl. CH-Bundesrat 18.8.16

Viele Skandinavienurlauber haben vielleicht Bärenspuren oder gar einen Bären gesehen. Bei uns war 13 Jahre nach „Bruno“ wieder ein Tiroler Bär in Bayern unterwegs: Er streifte durch ein „stark touristisch geprägtes Gebiet“ und wurde in der Nacht 22./23.10.19  im Graswangtal nahe Schloss Linderhof von einer Fotofall erfasst. Zuvor hatte man Bärenkot, die Kadaver dreier von einem Bären gerissener Schafe sowie eines Hirsches gefunden. 

War dies immer derselbe Bär? Droht ein 2. Fall „Bruno“? Der Problembär hatte schon Ministerpräsident Edmund Stoiber zu einem verbalen Harakiri inspiriert. US-Diplomaten kabelten seinerzeit ein 1 ½-seitiges Dossier „Brunos last stand“ über den Atlantik: „Trotz Grünanstrichs habe das moderne Deutschland ein schwieriges Verhältnis zur ungezähmten Natur.“ Schon Ostern ’12 hatte es lt. Bayerischem Landesamt für Umwelt bereits mehrere Beobachtungen im Grenzgebiet zw. Graubünden/CH (in 8 Jahren = 9 Expl.) und Tirol/A gegeben (v.a. juv. ♂♂ legen auf der Suche nach einem eigenen Revier weite Strecken zurück). Gefordert wird eine öffentl. Debatte, ob sich die heutige Alpwirtschaft wirklich mit einer dauerhaften Ansiedlung von Bären vereinbaren lässt. Ihre Rückkehr und die der Wölfe in Bayern + Österreich stellt die Almwirtschaft vor große Herausforderungen. Lt. Nat. Biodiversitätsstrategie * sollen bis ’20 Bär, Luchs (inklusive Mittelgebirge) und Geier wieder heimisch sein. * 1992 Convention on Biological Diversity in Rio de Janeiro/BR. Die Umsetzung findet im Rahmen der Biodiversitätsstrategie stattEs wurde auch die Notwendigkeit gesehen, Akzeptanz für große Beutegreifer bis ’15 durch zielgruppenspezifische Kommunikation zu schaffen. Dies umso dringlicher, als in Südtirol/Italien im Verlauf eines Jahres ein zweiter Bär vergiftet wurde. 

Seit Jtsd. hat der Mensch in Wort und Bild  seine Faszination über Bären und Wölfe zum Ausdruck gebracht. Schon vor 30.000 Jahren malte der Homo sapiens Bilder an Höhlenwände. Auf der Schwäbischen Alb gibt es zahlreiche Karsthöhlen (z.B. „Hohlenstein“/Lonetal – UNESCO; Knochenfunde u.a. von Höhlenbären Ursus spelaeus aus der letzten Kaltzeit vor ≈ 20.000 Jahren. 1861 kam hier ein respekteinflössender Schädel ans Tageslicht. Trotz seines Namens war er kein Höhlenbewohner, sondern hielt sich dort nur zur Winterruhe auf). In grauer Vorzeit glaubte man bärengestaltige Sternkonstellationen am Himmel zu sehen: „Kleiner und Großer Bär“. Bärenzeremoniell war religiös-schamanisches Ritual zahlreicher indigener Jägervölker im Norden Skandinaviens und Sibiriens. Die Kelten verehrten die Bärengöttin „Artio“; in der griechischen Mythologie ist der Bär das Attribut mehrerer Gottheiten, v.a. der „Artemis“, der Göttin der Jagd; die Germanen verehrten ihn als „König der Tiere“. Auch in den mündlichen Überlieferungen vieler Kulturkreise spielten sie eine bedeutsame Rolle (so bspw. in den Märchensammlungen Charles Perrault „Die Schöne und das Tier“ und Brüder Grimm „Der Bärenhäuter“ oder zeitnah im Kindermusical von Christian Kunkel „Wakatanka – kleiner Bär, ganz groß“.  

Bärenschutz: * EuroNatur hat in einem Projekt Maßnahmen aufgezeigt, um sie langfristig zu schützen und ihnen ihre Rückkehr in die alten, noch vorhandenen geeigneten Lebensräume zu ermöglichen (z.B. der überlebensfähigen Bestände in Kantabrien und Asturien/Spanien oder der südlichen Karpaten bzw. Schutz-gebiete im Karst zw. Slowenien, Italien u. Österreich). Dank Monitoringsystem werden wichtige Infos zu[r/m] Verbreitung, Bestandsdichten, Wanderverhalten gewonnen und durch Flächenkauf Rückzugsgebiete gesichert (Da die Bestände zum Teil so klein sind, dass sie langfristig nicht überleben, ist der Erhalt ökologischer Korridore, z.B. „Grünes Band Balkan“, für einen genetischen Austausch vordringlich). 

Devise: Konflikte im Vorfeld entschärfen, d.h. mit umfangreichen Maßnahmen (u.a. Beratung im Umgang mit Bären, z.B. Projekt Herdenschutzhunde; Einführung bärensicherer Müllbehälter in den Dörfern; Sicherung der Bienen-häuser bspw. durch E-Zäune) die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bär und Mensch friedlich nebeneinander leben können, z.B. durch Projekte der lokalen Bevölkerung wirtschaftliche Perspektiven zu geben, die mit dem Natur-schutz in Einklang stehen, z.B. Naturtourismus– (ist „in“ und kann dort, wo er kompetent und behutsam entwickelt wird, zu einer geschätzten u. zuverlässigen Einnahmequelle für die Anlieger der Gebiete werden) bzw. Wildtiertourismus

(„Bärentrekking“ in den Karpaten“, wo man mit einem Fährtenleser den Spuren [Bär, Wolf, Luchs und Steinadler] durch die winterliche Landschaft des N.P. Malá Fatra/Slowakei folgen kann) .  * Nachdem sie in Polen im 19. Jh. fast ausgerottet wurden, hat sich dank Schutzgesetze die Population innerhalb von 40 Jahren versechsfacht. In der Bergwelt Südpolens streifen mittlerweile 200 Bären umher. An sie werden sich auch die Menschen im waldreichen Nordosten gewöhnen müssen. Aktion für Wanderer: „Du läufst nie allein! Wir sind nur Gäste in ihrem Haus“!

Hundeführer: Das Verhalten des Hundes * im Bärengebiet beobachten! Auch Hunde, die keine Bären jagen, zeigen i.d.R. seine Anwesenheit oder Nähe an. Obacht, wenn der Hund anhält und lauscht, vielleicht auch auf Steine oder andere erhöhte Punkte steigt: Sofort an die kurze Leine nehmen, um Hunde-angriffe zu unterbinden. Einerseits warnt er angeleint durch Knurren etc. vor Bären, andererseits kann ein freilaufenden Hund den Bären provozieren und ihn auf der Suche nach Schutz direkt zu seinem Hundeführer lotsen. (20 i Wolf & Jagdhund48 i Hdf./ Luchs; ♫♫♫ „drohender Braunbär“). * Im Gegensatz zu den 5 Mio. Riechrezeptoren des Menschen hat die Hundenase zw. 220 + 300 Mio., zudem nimmt das Geruchszentrum einen weitaus größeren Teil des Hirns ein.

PS: 2006 – 2013 wurden bei der „Losjagd“ (Wildsuche, z.B. mit dem „Jämt-hund“ bzw. Schwedischen [Grauen] Elchhund“ [bzw. schwarzen Elchhund], auf großer Distanz) in Skandinavien Hunde † oder verletzt: durch Bären 10, Luchse 18, Wildschweine 513, Andere (bspw. Elche) 393; von Jägern geschossen 107.

Für alle FälleWas tun, wenn ein Bär angreift: Sich in Bauchlage auf den Boden und die Hände in den Nacken legen. Er sollte so erkennen, dass keine Gefahr besteht. Tot stellen, sich nicht wehren und warten, bis er weit genug weg ist (vermutlich nur eine Empfehlung für ausgesprochen „Nervenstarke“; sehr fraglich bei Schwarzbären; siehe auch ASU 12/2014; Outdoor Magazin Bären-Know-how). PS: Beste und verlässlichste Strategie ist es, ihn gar nicht erst zu treffen. Wenn doch, gebietet die Vorsicht, ihm in freier Wildbahn nicht zu nahe zu kommen (Sicherheitsdistanz mind. 200 – 300 m; auf keinen Fall versuchen, für ein Foto näher heranzugehen)! Das Sichaufrichten nutzt der Bär, um sich zu orientieren oder um Angreifern zu drohen, es gehört zu seinem natürlichen Verhalten. Wenn er Junge behütet oder Beute verteidigt, duldet er absolut keinen Eindringling.

Adulte Braunbären können nicht mehr auf Bäume klettern, da die Krallen für ihr Gewicht zu schwach sind; die Juv. hingegen sind ausgesprochen geschickt. Einem wirklich für einen Angriff vorbereiteten Bären (im Sprint 65 km/h) muss man sehr schnell „davon klettern“ können; falls überhaupt ein geeigneter Baum mit guten Aufstiegsmöglichkeiten erreichbar ist – und das auf eine Höhe von mindestens 5 m über den Waldboden. 

Quellen: Hartmut Felgner „Die Rückkehr der Großraubtiere“ pdf und F-Serie + HF Traumreise „Alaska – Kanada“ und F-Serie; Transeuropäische Wildtiernetz-werke; Anja Matthies „Europas wilde Bären“ TVdirekt 2020 + Dirk Oetjen „Auge in Auge mit den Grizzlys“ 2021; Wikipedia; vorherige Links.