Der Umweltschutz ist in den letzten Jahren sicher für uns alle zu einem beson-ders schlagzeilenträchtigen Thema geworden: katastrophale Gewässer-verschmutzungen, Giftmüllskandale, Smogalarm oder Gefahren durch entweichende gefährliche Stoffe. Behörden und Politiker reagieren häufig mit einer Mischung aus Beschwichtigung, Ratlosigkeit und hektischem Aktionismus. Und wenn wir uns einen Augenblick rückbesinnen, so reiht sich der eine oder andere Leser in den Chor derer ein, die schärfere Gesetze, bessere Kontrollen, rückhaltlose Aufklärung und Konsequenzen fordern. Bei all diesen Katastrophen spielt die natürliche Umwelt in der Freizeitgestaltung des Menschen unserer Tage eine besonders große Rolle, sucht er in der freien Natur doch die Erholung von einem immer hektischer werdenden Alltag. Und diesem Bedürfnis kann man sich im Grundsatz nicht entgegenstellen. Festzustellen bleibt, dass wir die Natur nicht total vor den Menschen verschließen können und daher mit ihren Werten haushalten müssen. Da das ökologische „Kapital“ wesentlich sensibler als das Ökonomische ist, gilt es auch in den Branchen „Freizeit, Erholung und Tourismus“ mehr als bisher Verantwortung zum Schutz und Erhalt der Natur zu praktizieren.
Andererseits ist die Sehnsucht nach Wildnis mit einzukalkulieren: Es besteht ein ausgeprägter Wunsch, mit ihr in Kontakt zu kommen. Wir brauchen sie, nicht nur um der Natur, sondern um unserer selbst willen“…, so die ehemalige Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Dr. Beate Jesssel. Aber Achtung: Das Label „Wildes Deutschland“ führt in die Irre! „Wildnis“ nach naturwissenschaftlichen Maßstäben gibt es in unserem hoch entwickelten Industriestaat nicht. „Wildnis“ ist da, wo der Mensch die Landschaft nicht gestaltet – ungezähmte Natur ist aber Illusion. Selbst in Teilen der N.P.’s. werden Bäume gefällt, Totholz entfernt, Wege gesichert, Rehe geschossen. Eine Land-schaft aber, in der die Natur walten darf, wie sie will, und auch der Mensch ein Teil ist, den keine „Betreten verboten“-Schilder aussperren, wäre Wildnis. Ökologen diskutieren vermehrt über solche Freiräume. „Der Wunsch nach Wildnis ist aber eher der nach einer „Guckloch“-Wildnis. Man schaut sich das ein Wochenende lang an, mit der Sicherheit zurückzukommen“, so Dipl.-Psych. Kerstin Ensinger, Leiterin des sozial-wissenschaftlichen Forschungsbereichs des N.P. Schwarzwald.
Oder auch das: „Der Wald wird bei uns stark romanisiert…und verirrt sich doch mal ein ernstzunehmendes Wildtier in unsere Wälder – ob Bär (Foto: Karhun-polku/Bärenpfad Nord-Karelien/Finnland), ob Wolf (F: jg. Wölfin im Šumava N.P./Tchechien) oder Luchs (F: Rezerwat Pokazowy Żubrów Białowieżą/Polen) – ist meist Schluss mit Romantik“ – Dr. habil. Henrik Hartmann, Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena.
Mit einer großen Portion „Bewusstsein um die Belange der Natur“ wird man sich hier durchaus arrangieren können. Dies jedoch nicht mißzuverstehen mit dem Begriff „Kompromiss“ (faule, d.h. menschengemachte Kompromisse sind dabei nicht angebracht, da sie zu Lasten der Natur und der Wildtiere gehen – und da, wo die Natur beeinträchtigt wird, kann sie wohl schwerlich mit einem Kompromiss leben). Und für diese Bewusstseinsbildung brauchen wir nicht unbedingt Förster oder Naturwissenschaftler sein. Es geht v.a. darum, unsere Erholungs- und Freizeiträume in möglichst natürlichem Zustand zu erhalten.
Nicht nur um der landschaftlichen Schönheit willen, sondern auch, um den Naturhaushalt vor störenden Eingriffen zu bewahren, die letztlich dem Menschen, d.h. uns allen selbst Schaden würden. Intakte Umwelt und natür-liche Landschaften sind verstärkt das Grundkapital des Tourismus. Verödete Landschaft ist nicht nur kein Werbefaktor, sie verliert v.a. auch an Erholungs-wert.
Im ländlichen Raum und industriell strukturschwachen Gebieten wurden Möglichkeiten eröffnet, neue Infrastrukturen zu schaffen. Immer mehr Gemeinden haben, auch bedingt durch den Rückgang in der Landwirtschaft, den Tourismus als notwendige Einnahmequelle und Chance für den Erhalt von Arbeitsplätzen entdeckt.Dass dies aber volkswirtschaftlich nicht nur Vorteile mit sich bringt, zeigen eine Vielzahl von Beispielen auf. Die Mobilität ermöglicht uns heute innerhalb kurzer Zeit Entfernungen zurückzulegen, die in früheren Jahren nicht möglich waren.
Beobachtungen im Massentourismus zeigen heute, dass Freizeitmobilität und -verhalten weitgehend identisch mit motorisiertem Verkehr sind. Wir alle können diese Erscheinungsform spätestens bei Verkehrsmeldungen an den Wochenende, insbes. an Feier- und Ferientagen, verfolgen, wobei geplante Entlastungen zwangsläufig zu einem erhöhten Flächenverbrauch von Natur-landschaften führen.
Lösungsmöglichkeiten in der Werbung: Das Problembewusstsein in der Bevölkerung hinsichtlich unserer Umwelt ist durchaus vorhanden. Wenn Natur- und Umweltschutz heute auch in aller Munde sind, so sind wir vom allgemeinen Verständnis der Zusammenhänge aber noch weit entfernt. Im Rahmen des Naturschutzdienst (Regierungsbezirke Stuttgart und Tübingen) habe ich immer wieder erlebt, dass Wanderer, Radfahrer, Reiter und andere die Natur aufsuchenden Mitbürger und Feriengäste des „gedanklichen Anstosses“ bedurften: Nicht Vorsatz, sondern überwiegend Unkenntnis sind die maßgebenden Faktoren für falsches Verhalten in der Natur. Ein Ansatzpunkt eines naturgerechten Tourismus bietet sich in der Werbung, die den potentiel-len Gast bzw. Besucher mit dem Ort vertraut machen soll. In der Tourismus-werbung sollte dieses Problembewusstsein daher einen hohen Stellenwert einnehmen. Als unverantwortlich gilt, wenn in Prospekten mit noch vorhandenen Biotopen (bspw. Orchideenwiese) oder Refugien seltener und damit meist geschützter Tier- und Pflanzenarten geworben wird. Welche folgen für die Natur ein ein derartiger Hinweis haben kann, ist erst wohl dann festzustellen, wenn die Standorte nicht mehr bestehen (abpflücken, zertreten insbes. beim Fotografieren, ausgraben für den Garten u.v.m.). Auch auf die fotografische Darstellung von Jungwild und Nestaufnahmen bei der Heraus-gabe von Werbematerial sollte verzichtet werden (Nachahmungseffekt). Wildschutz- bzw. Naturschutz- und neue Feuchtgebiete als „Paradiese aus Menschenhand“ können nur dann ihr Funktion erfüllen, wenn sie keiner touristischen Vermarktung unterliegen.
Besser wäre der Hinweis auf ökologische Lehrpfade (F: NSG Diersfordter Wald/ Nordrhein-Westfalen + Fisch-Lehrpfad Itzelberger See/Ldks. Heidenheim/ Brenz) oder diesbezügliche Informationstafeln ( F: NSG Wolfsgrund/Ldks. Rotenburg/ Wümme/Niedersachsen) mit einer Illustration im Prospekt. Besucher erfreuen sich derartiger Einrichtungen, können sie doch hier ihr Wissen überprüfen und neue Erkenntnisse und ggfs. auch Anregungen erlangen. Sollten derartige Einrichtungen wie Wald- oder Vogellehrpfad, Geologischer Pfad u. ä. noch nicht bestehen, wäre es wünschenswert, sie einzurichten.
Ein weiteres Beispiel: Viele „Farbprospekt-Camper, Wanderer oder Radfahrer“ werden auf Fotos beim Querfeldein-Aktionismus abgebildet und damit als Negativbeispiel präsentiert, wie es eigentlich nicht mehr vorkommen sollte. Wird hier doch eine Ferienidylle gezeigt, die mit naturgeregtem Verhalten nicht mehr im Einklang steht. Als Gegenstück kann ein Foto eingesetzt werden, dass sowohl die Idylle der Natur als auch ein umweltfreundliches Verhalten der Gäste darstellt, wobei die Werbeintensität im Prospekt nicht gemindert sein muss.
Im Zusammenhang mit der Werbung muss auch die Öffentlichkeitsarbeit für den „Natur- & Umweltschutz“ genannt sein: Im Rahmen einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit ist es für einen Ferienort u.a. auch wichtig, die Belange des Natur- und Umweltschutzes aufzunehmen. Eine sachgerechte kontinuierliche Aufklärung sowie Maßnahmen, die dem v.g. Zweck dienen können die beste Eigenwerbung für den Ferienort sein und da Image allgemein verbessern (z.B. durch Artikel in den eigenen Kurzeitungen, Info-Beiträge für die örtliche und überregionale Presse, Durchführung von Veranstaltungen mit entsprechenden Beiträgen, Presse- und Rundfunkinterviews über geleistete Maßnahmen).
Schon durch ein Angebot von fachlich geführten Wanderungen auf Natur-, Forst- oder Vogellehrpfaden können wir an das häufig vorhandene Verständnis unserer Feriengäste appellieren oder neues Interesse wecken. Es hat sich dabei inzwischen gezeigt, dass derartige Aktionen in der Presse eines reges Interesse hervorrufen und für den Tourismus alles andere als nachteilig sind.
Die Frage mag sich stellen, „in der Theorie hört sich das alles gut an, aber wie sieht es in der Praxis aus?“ Hierzu ein Beispiel: Inmitten eines publikums-starken Knotenpunkts (jährlich rund 300.000 Besucher) in einem Sport- und Erholungszentrum, zwischen Wellenhallenbad, Sauna-, Eis- und Tennishallen bauten wir zusammen mit der örtlichen NABU-Gruppe ein „Vitrinen-Feucht-biotop“. Über das „Märchen vom Froschkönig“ wurden die vielen Kinder sowie jugendliche und ältere Betrachter an den Lebensraum von
Frosch, (Fotos von links: Grasfrosch Rana temporaria – Gartenteich Schlat), Laubfrosch (F: Europäischer Laubfrosch Hyla arborea RAMSAR/Natura 2000/ Kerkini-See/Griechenland), Kröte (Erdkröte Bufo bufo – Nationaal Park De Groote Peel/Niederlande), Unke (F: Gelbbauchunke Bombina variegata – Forst-projekt Schlater Wald), Molch (F: Bergmolch Triturus alpestris – Gartenteich Schlat) , Salamander (F: Feuersalamander Salamandra salamandra terrestris – N.P. Kellerwald-Edersee/Hessen), Eidechse (F: Zauneidechse Lacerta agilis – NSG Spielburg GP-Hohenstaufen), Blindschleiche (F: Anguis fragilis – NSG Wental/ BW) und Ringelnatter (F: Natrix natrix – Gartenteich Schlat) herangeführt und ihr Verständnis dafür geweckt, auch draußen in der Umgebung den natürlichen Lebensraum zu akzeptieren und sich bei einer „Begegnung“ entsprechend zu verhalten. Tausende Besucher der Freizeit- einrichtung konnten Anregungen zum Schutz der Natur mitnehmen und viele haben dies, wie sich in Positiväusserungen immer wieder gezeigt hat, auch getan. Das künstliche Biotop, das immerhin 5 Monate zw. Eislauf- und Roller-Disco stand, wurde von Niemanden zerstört. Setzt sich dies auch in der Natur um, sind Sinn und Zweck dieser Aktion erfüllt. Die Kenntnis der Zusammen-hänge zu verbreiten ist heute besonders wichtig, weil die sich daraus ergebenden Forderungen nur dann zu erfüllen sind, wenn sie von einer möglichst großen Zahl von Bürger*innen vertreten und mitgetragen werden.
Lenkungsmöglichkeiten von Besucherströmen: Tourismusverbände, -gemeinschaften, -vereine und „Verwandte“ wie Sport- und Freizeitzentren, Camping- und Zeltplätze u.a. produzieren Tourismus. Gerade aber diesen Produzenten und Tourismusmanagern kommt u.a. die entscheiden Bedeutung zu, den Andrang von Erholungs- und Freizeitsuchenden in gewisser Weise zu lenken bzw. an bestimmte Einrichtungen und Orte heranzuführen, die den Naturhaushalt nicht so stark belasten. An den Naturhaushalt orientierte und daher den Naturschutz berücksichtigende Freizeiteinrichtungen machen es nicht notwendig, die Natur total vor dem Menschen „zu verschliessen“. Wir können nicht durch die „Käseglocke“ auf die Natur schauen, sondern sind als Menschen ein Teil der Natur. Durch s.g. Lenkungsmaßnahmen, z.B. gezielt (und da, wo möglich, auch überregional) ausgewiesene Wander-, Radwege oder Mountainbike-Trails, Waldsportpfade, Reitwege sowie verantwortungsbewusst angelegte LL-Loipen (mit getrennter Ausweisung von Loipen und Fußwegen für Winterwanderer, Parkplatzangebot, Vermeidung der Nachbarschaft zu Wild-fütterungen und Wildeinstands- – sie sind „Wohn-, Schlafzimmer und Kinder-stube“ vieler heimischer Wildtierarten – und Schutzgebieten) können andere Gebiete und Landschaften von Besucherströmen entlastet werden. Schon bei der Gestaltung von Wanderkarten bestehen entsprechende Möglichkeiten, und es trägt auch nicht zum „Gesichtsverlust“ bei, wenn wir uns als Herausgeber von Karten, Prospekten und Broschüren auch im Textteil dazu bekennen, dass die Erhaltung und der Schutz der Natur bei uns Vorrang Nr. 1 vor touristischen Aktionen haben.
Während besonders stark frequentierter Zeiten, wie am 1. Mai oder am Himmelfahrtstag, ist der Wald und die Natur z.T. erheblichen Belastungen ausgesetzt. Die Belange der Natur treten für manche Gruppen hier oft in den Hintergrund. Info-Zentren bzw. Stützpunkte in Zusammenarbeit mit den jeweiligen örtlichen Naturschutzverbänden (bspw. Kreisjägervereinigung, Deutscher Alpenverein und NABU-Ortsgruppen) auf freiwilliger Basis könnten hier zu einer bewussten Wegberatung, weg von kritischen Punkten und damit zu einer Entlastung führen. Bei der Veranstaltung von Großsportveranstal-tungen (z,B. Volksmärsche und s.g. Orientierungsläufe) gilt eine besonders verantwortungsvolle Routenfestlegung, da Geruch, Lärm, Sicht neben den reinen Tritt- und Abfallschäden nach Untersuchungen einen „Beeinträch-tigungsgürtel“ von 200 m nach beiden Seiten abgeben; bei einem Marsch von 50 Kilometern sind dann unter Umständen ca. 2.000 ha für einen oder mehrere Tag(e) stark gestört; bei falsch angelegten LL-Loipen kann dies zum Tod der Auerhühner führen.
Nachrichtlich sind hier noch die Möglichkeiten in der Fahrplangestaltung des ÖPNV, die Umweltverträglichkeitsprüfung und Maßnahmen im Tourismus, Möglichkeiten für den Handel in Erholungsorten, in der Raumplanung von Tourismusgebieten, in der Gesetzgebung für die Gemeinden, für die Verkehrs-beruhigung, und im Bereich der Naherholung für Stadtregionen aufgeführt.
Fazit: Worum es mir abschließend geht, ist die Feststellung, dass wir die Natur nicht total vor den Menschen verschließen können und daher mit ihren Werten, dem s.g. wilden Kapital, unbedingt haushalten müssen. Die Natur braucht wahrscheinlich den Menschen nicht, aber wir die Natur.
Quellen: Hartmut Felgner – Vortrag anlässlich der Tagung des früheren Touristikverbandes Neckarland-Schwaben, Heilbronn (als Umwelreferent); Organisation und Teilnahme an der Bund-Länder-Sonderschau „Chancen für Mensch und Natur“ („Haus Baden-Württemberg“ für den Gemeindetag BW – das Echo beim RIAS Berlin, bei der Presse und dem Publikum hierzu war sehr groß) anlässlich der Int. Grünen Woche 1987 Berlin und Ausstellung unter dem Leit-gedanken „Umweltschutz geht jeden an“ für den Gemeindetag BW (mit der Kommunalentwicklung BW, VEDEWA Stuttgart, Gemeinden Adelberg und Süßen) aus Anlass des Europ. Umweltjahres 1987 in Adelberg; Aufzeichnungen bei der 1. Fachtagung „Fremdenverkehr u. Naturschutz in BW – Wege zu natur- und umweltverträglichen Freizeitverhalten“ der Akademie für Natur- & Umweltschutz BW in Zusammenarbeit mit dem LFV BW (1.9.1989 Friedrichs-hafen); beruflich u.a. Leiter des Städt. Verkehrsamtes GP; Erster Werkleiter des kommunalen Eigenbetriebs „Sport- und Erholungszentrum“ Adelberg; dazu GF und Umweltreferent der Touristikgemeinschaft Stauferland, des Verbandes der Campingplatzunternehmer in BW e.V., Referent „Sport & Freizeit“ beim LNV BW; „Die Rückkehr der Großraubtiere“ pdf und F-Serie; Wikipedia. Siehe auch LNV-Arbeitskreis GP / Merkblätter – Touristik-Naturschutz-Aktionen!