Der Wolf in der Grube – historische Jagdmethoden gegen den „Grauen Räuber“ 

Alte Wolfslöcher im Wald erinnern an die Ursprünge unserer Angst vor dem grauen Räuber. Je schlechter es dem Menschen geht, umso bedrohlicher erscheint das Tier.

Wölfe haben ursprünglich den gesamten europäischen Raum besiedelt. Das Verhältnis der Menschen ihnen gegenüber war ambivalent. Ihre Domesti- zierung begann vor rund 19. bis 32.000 Jahren, als Europa von Jägern und Sammlern bevölkert war.  Vermutlich folgten sie Jägern auf der Suche nach Aas und Nahrungsresten und gaben so den Anstoß zum späteren Zusammenleben (F ff. <). Es widerspricht der bisherigen Annahme, dass sie die Landwirtschaft in die Dörfer lockte und dies so zur anschließenden Domestizierung führte. 

In Mythen und Legenden wurde die Stärke des Wolfs hervorgehoben, wie bspw. in der germanischen Mythologie, wo Wölfe die Begleiter des Gottes „Odin“ sind. In der griechischen u. römischen Mythologie war „Apollo“ Gott des Lichts und zugleich der Wölfe; in der türkischen Mythologie spielt der „Heilige Wolf“ eine wichtige Rolle. Namen wie „Wolfgang, Ingolf und Randolf“ erinnern an seine Wertschätzung. Die Daker, ein Urvolk (heutiges Rumänien) verehrten den Wolf und trugen sein Symbol in der Kriegsflagge; ebenso das Volk der Usbeken in Asien. Auch bei uns wurde er als Wappentier adliger Familien gewählt.

Erst mit Einführung der Viehzucht (F oben >) vor rd. 10.000 Jahren wurden sie von der Landbevölkerung als starke Bedrohung empfunden. Seit dem Mittel-alter wurden Wölfe daher mit unterschiedlichen Methoden systematisch ver-folgt. Galt er bei einigen heidnischen Kulturen immer noch als Symbol der Stärke, hielt er im Zuge der Christianisierung endgültig als Projektionsfläche für das Schlechte her: das Bibelbild vom guten Hirten (F ff.) und dem bösen Wolf (F ff. unten <) hat sich tief ins kulturelle Bewusstsein gebrannt.

Kaum ein Tier hat solche Hassorgien ausgelöst, ist so grausig gejagt (F zuvor >), gefangen, gefoltert, vergiftet, zerrissen und geköpft worden wie der Wolf, für den jahrhundertelang weltweit galt: „Nur tote Wölfe sind gute Wölfe“. Kaum ein Tier ist auch so mythisch aufgeladen worden als blutrünstiger Werwolf, als feiges, hinterlistiges Monster, das es auf die Unschuld von Rotkäppchen abgesehen hat.   

Als 1634 mit der Schlacht von Nördlingen der Dreißigjährige Krieg endgültig den Südwesten Deutschlands erreicht, ziehen Mord, Plünderung u. Verwüstung auch in Württemberg ein. In den folgenden Jahren liegen die Felder brach, in den Forsten wird kaum noch gejagt, so dass sich das Wild ungehindert vermehrt. Unter denen, die noch leben, breitet sich Hunger aus. In manchen Städten Württembergs sinkt die Bevölkerungszahl bis zum Ende des Krieges um die Hälfte. Nur für einen ist der Tisch jetzt reichlich gedeckt. Mit dem grenzenlosen Leid und Schrecken, die der Dreißigjährige Krieg über das Land bringt, kehrt ein damals eigentlich fast schon Verschwundener wieder zurück in die Wälder: Der Wolf. 

Kriegszeiten sind Wolfszeiten. Und spätestens, wenn er auf der Bildfläche erscheint, nimmt auch das „Gefühl von Ordnungsverlust“ , so der Frankfurter Literaturwissenschaftler Roland Borgwards, überhand. Womit auch umgekehrt gilt: Erst wenn der Wolf, dieses „politischste aller Tiere“, aus dem kultivierten Raum des Menschen wieder vertrieben ist, scheint – zumindest symbolisch – die Ordnung wieder hergestellt. Wobei der Obrigkeit seit jeher erstaunlich viel daran gelegen war, Isegrim den Garaus zu machen. „Beschäftigt man sich näher mit den verschiedenen Beseitigungsmethoden, die vom Mittelalter bis ins 19 Jh. angewandt wurden, spürt man eine gewisse Verbissenheit, die ahnen lässt, dass es am Ende um mehr ging als um ein Tier, das dem Menschen gelegentlich in die Quere kommt“, schreibt denn auch Petra Ahne, die kürzlich eine viel beachtete Kulturgeschichte des Wolfs verfasst hat. Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte sich der Wolfsbestand stark erhöht. Allein zwischen 1639 und 1678 bringen in Württemberg Jäger und Forstknechte dem Quellen zufolge rd. 4.000 Wölfe zur Strecke. Die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen, da auch Bauern und andere dem Wolf nachstellen.

Das Töten der Tiere geschieht auf ganz unterschiedliche Weise: Treib- und Parforcejagden sind Angelegenheit des Adels.

Mit kleinen Fallen und Wolfsangeln oder vergifteten Ködern rücken auch Bauern dem Feind zu Leibe. Hierzu waren bestimmte Rezepte für Wolfskugeln verbreitet. Diese wurden in Ködern versteckt. Auch wurden Schlachtabfälle mit Strychninpulver eingerieben.

Zum Einsatz kam auch die hochgiftige Wurzel des Gelben Eisenhuts (»Wolfstod«). Der Pflanzenname Wolfswurz, 1544 erwähnt, entstand aus der Verwendung des Eisenhuts als Wolfsgift.

Häufig werden die Wölfe im Wald von Jägern mit Netzen gefangen. Dazu wird mit Hilfe eines Lappenzauns ein großer Kreis gebildet, aus dem es für die dort hineingeriebenen Tiere nur an einer Stelle ein vermeintliches Entkommen gibt. Doch am Ausganges Kreises warten die Netze. Auf diese Jagdform geht der Ausspruch zurück, dass etwas einem „durch die Lappen geht“. Denn eigentlich konnte der Wolf durch die an einer Schnur hängenden Stofffetzen, die ihn lediglich irritierten, ganz leicht hindurchschlüpfen.

Die Jungen finden und töten: Wurde eine Wurfhöhle, in der sich Welpen befanden, entdeckt, wurden diese ausgegraben und getötet. Für getötete Welpen waren die Prämien geringer als für erwachsene Wölfe.

Mit Eisen fangen: Gemeint ist hier wohl ein eiserner Haken, eine Wolfsangel. Diese funktioniert wie ein Angelhaken. Die mit Widerhaken versehenen Enden wurden mit einem Köder (z.B. aus Eingeweiden erlegter Tiere) bestückt und an einem Baum so aufgehängt, dass der Wolf danach springen musste, um nach dem Köder zu schnappen. Gelang dies, so blieb der Wolf in der Angel hängen. Wolfsangeln waren in unterschiedlicher Ausführung im Einsatz. Aus Eisen waren auch große Schlagfallen (Schwanenhälse).

In Gruben fangen: Hierzu wurden 3-4 m tiefe Gruben (s.g. Kuhlen) ausgehoben. Die Wände wurden mit Holz oder Stein befestigt. Oben schloss eine Lage von dünnen Ästen (Reisig) und Stroh die Grube ab. Es gab auch Gruben, die mit einem Klappdeckel versehen waren. Als Köder zum Anlocken eines Wolfes wurden obenauf Schlachtabfälle, Aas oder auch kleinere lebende Tiere befestigt. Wollte der Wolf diese Beute erreichen, stürzte er in die Grube. Dort wurde er getötet, manchmal auch lebend entnommen.

Die alte Grube beim Wald in Neubulach-Liebelsberg im Nordschwarzwald ist Höhepunkt und Ziel eines Premiumwanderwegs im Land. „Genießerpfad Wolfsgrube“ heißt der 7,2 km lange Wanderweg, und er führt zu einer der letzten Wolfsfallen im Land. Nur noch an ganz wenigen Orten haben sich diese Jahrhunderte alten Bauwerke im Erdreich erhalten. Wie bei Mössingen auf der Schwäbischen Alb finden sich heute zwar auf der Landkarte noch reichlich Wolfslöcher, -gruben und -gärten als Orts- oder Gewannbezeichnungen.

Die Namen verweisen aber fast immer auf längst verschwundene Bauwerke. Nur an einigen wenigen Stellen wie auch zuvor sind die meist 3 – 4 tiefen Löcher noch im Wald zu finden. Bei Crailsheim am Rand der Wolfsschlucht sind Reste einer weitgehend verfallenen Wolfsgrube noch zu erkennen. Die gemauerten oder mit Brettern verschalten Gruben waren rund oder rechteckig. Abgedeckt wurden die Löcher, die meist abseits von Wegen lagen, damit niemand versehentlich hineinfiel, mit dünnen Ästen oder Reisig. An einer Querstange, die über dem Loch lag, war ein Stück Aas angebracht (Jägersprache „Luder“), das den Wolf anlocken sollte. Ausgefeilter war die Variante, bei der über die runde Grube ein Deckelgelegt wurde, der über einer Stange gelagert war. Dieser Deckel war aus Brettern gezimmert oder geflochten (F zuvor „historische Wolfsgrube“), das Aas lag auf der Abdeckung oder dahinter.Betrat der Wolf den mit Ästen getarnten Deckel, klappte rum, und das Tier stürzte in die Tiefe. Nicht selten wurde der so festsitzende Wolf an Ort und Stelle gesteinigt. Was diese historischen Bauwerke im Wald so bedeutend macht: Sie erinnern an eine Zeit, auf die unsere heute wieder aufflammende Wolfsangst zu einem Gutteil zurückgeht.

Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. erhob mit dem Jagdregal 1814 die Wolfsjagd zur Staatsbürgerpflicht. Als 1907 der letzte Wolf getötet wurde, war das Ziel erreicht, „das schädlichste Geschöpf Gottes“,zugleich Nahrungs[Jagd-/Beute-]konkurrent des Menschen, auszurotten, so wie in fast allen west- und mitteleuropäischen Staaten. Nun aber erhielt der „böse Wolf“ umso lebendiger in Märchen und Erzählungen Einzug. In dieser Zeit wurde auch die bis dahin mündliche Überlieferung vom „Rotkäppchen“ zum ersten Mal aufgeschrieben.

– Bei keinem anderen Tier werden Emotionen so geweckt. „Der Konflikt besteht nicht zwischen Wölfen und Menschen, sondern zwischen den Menschen“, so Vizepräsident Heinz Baacke (LJV Sachsen), obwohl er eben nicht der Böse aus Grimms Märchen ist, sondern ein Wildtier u.v.a. Nicht die Brüder Grimm haben ihn zum Bösewicht gemacht, denn der war er schon vorher. Die Märchen-sammler trugen aber zu dem bis heute nachwirkenden Rufmord erheblich bei. Denn sie schrieben von 200 Jahren erstmals auf, was über Generationen nur weitererzählt wurde. 

Schon gewusst? Nördlich der Alpen ist das Rotkäppchen bestimmend für unser Wolfsbild; südlich davon sind es Romulus, Remus und die Wölfin, die die Kinder angenommen und gesäugt hat – Interview Wolfsforscher Dr. Erik Zimen wildlife observer 1-2/99; FAZ „Wolfmanagement“ 5.6.15 + “Speculative Empire” taz-blog 16.1.20). Weitere positive Beispiele zum Thema Wolf: 

…und in dem Zeichentrickfilm „Das Dschungelbuch“ (Rudyard Kipling) „Mogli”, der von Wölfen großgezogen wurde.

Die Wissenschaft ist sich einig: Das geschah nicht, weil er eine echte Gefahr für Menschen darstellte, sondern er wurde nur zum Inbegriff des Grauens gemacht. Märchen dienten als erzieherische Schreckensgeschichten für Kinder mit der Kern-aussage: „Traue keinem Fremden!“ Um der Gefahr eine Gestalt zu geben, wurde er zum „bösen Onkel“ erklärt („Nicht das Tier ist böse, sondern der darin versteckte Mensch!“) – dieses Image klebt bis heute an seinem Pelz. In 100 von ≈ 1.000 international verbreiteten Märchentypen spielt er die Hauptrolle. Dazu ironisch im „Rundschlag“: „Was gegen den Wolf hilft: Gegen ihn fällt uns auch noch was ein und wir praktizieren es schon längst – das Wegschliessen der Großmütter. In Pflegeheimen!“ Fazit: „Ein Miteinander von Menschen und Wildtieren in einer Kulturlandschaft muss wieder neu erlernt werden.“ 

Quellen: Torsten Schöll „Der Wolf in der Grube“ SÜDWEST PRESSE/HEIMAT 16.5.20 (genehmigt 11.3.25); Studie von Olaf Thalmann, Turun yliopisto/FIN (Mitautor Dr. Johannes Krause, Institut für Naturwissenschaftl. Archäologie Uni Tübingen); Universal-Lexikon 1758; Petra Ahne „Wölfe“ (NATURKUNDEN No. 27 Matthes & Seitz); „Rotkäppchens Erben“ SZ-Magazin 21/2015/Das beste aus aller Welt; canilobo.de; LNV BW Hartmut Felgner… „Die Rückkehr der Großraubtiere“ pdf und F-Serie; Wikipedia.

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