Coole Tiere – das Ren

Das Ren ist ein Säugetier aus der Familie der Hirsche. Als einzige Hirschart wurde es von Menschen gezähmt (früher v.a. als Last- und Zugtiere genutzt, heute geht es den Züchtern eher darum, aus dem Fell Kleidung und Decken herzustellen oder das Fleisch und die Milch als Nahrung zu verwenden). Es lebt seit Urzeiten im hohen Norden, z.B. in Nordamerika (hier nennt man sie Karibus Caribou. der Name kommt aus dem indianischen und bedeutet soviel wie „Tier, das in den Schnee scharrt“), Nordeuropa, Sibirien und auf Grönland (dort nennt man es Ren oder Rentier). In der Mehrzahl heißen sie Rener oder Rentiere.

Die Größe schwankt mit dem Verbreitungsgebiet. Die Kopf-Rumpf-Länge kann 120 – 220 cm betragen, die Schulterhöhe 90 – 140 cm, das Gewicht 60 – 300 kg. Das Fell ist dicht und lang, dunkelgraubraun oder, besonders bei domestizierten Tieren, hell; im Winter ist es generell heller als im Sommer. Die auf hochark-tischen Inseln Kanadas, v.a. auf der Ellesmere-Insel lebenden „Peary-Karibus“ tragen ganzjährig ein fast rein weißes Fell. Die Färbung dient als Tarnung vor Fressfeinden; die dichte Unterwolle schützt im arktischen Klima vor Kälte (kann bis zu minus 60 °C kalt werden, die Haare bedecken dann sogar ihre Lippen).

Auf dem europäischen Festland gibt es in Süd-Norwegen noch etwa 25.000 wildlebende Rentiere in 23 getrennten Populationen, davon 10.000 – 11.000 auf der Hardangervidda. Gut die Hälfte der Populationen sind aber gemischt mit teildomestizierten Rentieren (lt. IUCN-Angaben leben dort insgesamt rd. 6000 reinrassige Wild-Rentiere). Bei den großen Rentierherden Lapplands und NO-Russlands handelt es sich ausschließlich um (geringfügig) domestizierte,  „halb-wilde“ Rentiere, die etwa unter der Obhut der Samen stehen.

In Nordkanada reicht das Verbreitungsgebiet der Rentiere weiter in den Süden, also in die boreale Zone.  

Dass Rentiere gut an ihre oft sehr kalte Umgebung angepasst sind, zeigt sich auch an ihren Hufen. Sie sind bis zu 30 cm breit und durch eine Spannhaut weit spreizbar („moor-/schneegängig“ – Schneeschuheffekt). Zum Foto rechts oben: „Lappentor“zum Separationsgehege Poroerotus, in dem im Winter die große Rentierscheide durchgeführt wird.

Einmal im Jahr werfen Rentiere ihr Geweih ab. Die ♂ (Renhirsch) machen das im Herbst, die ♀ (Renkühe) im Frühjahr. Das Geweih wächst dann wieder nach, und zwar bis zu 2 cm pro Tag (das schnellste Organwachstum, das im Tierreich bekannt ist). Es kann bei einem ♂ über 1 m lang und bis zu 15 kg schwer sein. Renhirsche setzen ihr Geweih zur Verteidigung ein und kämpfen damit in der Brunftzeit (beginnt im September) gegen andere ♂♂ um die ♀♀. Renkühe verteidigen damit u.a. ihre Futterstellen. Rentiere sind vor allem Grasfresser;  im Sommer nehmen sie fast jede pflanzliche Kost zu sich, die sie finden können. Im Winter sind sie durch Schnee und Eis überwiegend auf Rentierflechten (die hellgrauen bodenbedeckenden, moosähnlich wirkenden Polster sind besonders in den Wintermonaten eine bedeutende Nahrungsquelle), Moose und Pilze beschränkt.

In den nördlichen Ländern wie bspw. in Skandinavien ist es im Sommer ununterbrochen hell, im Winter dagegen herrscht komplette Dunkelheit. Rentiere haben einen Trick, um sich den extremen Lichtverhältnissen anzupassen: Sie wechseln ihre Augenfarbe. Im Sommerlicht sind die Augen von Rentieren golden, im Winter dagegen eher von dunkelblauer Farbe, wie Forscher um Glen Jeffery von der Universität Tromsø in Norwegen und dem University College in London entdeckt haben. Das heisst: Im Sommer wird das meiste Licht vom Auge direkt reflektiert, im Winter dagegen verstreut es sich auf der Netzhaut und trifft auf die Photorezeptoren, die sich hinten im Auge befinden. So können sie im Stockdunkeln noch einigermaßen gut sehen.

Zur Zeit der Paarung im Oktober versuchen ♂♂ , einen Harem um sich zu sammeln. Sie paaren sich mit so vielen ♀♀ wie möglich. Nach einer Tragezeit von ungefähr 230 Tagen bringt das ♀ ein einziges Junges zur Welt. Die Geburt erfolgt im Mai oder Juni. Das Jungtier ist, anders als die meisten Hirschkälber, nicht gefleckt und schon kurz nach der Geburt selbständig. So kann es bereits nach einer Stunde laufen. Sofern es trocken bleibt, wird das Junge durch sein aus luftgefüllten Haaren bestehendes Fell vor Kälte geschützt. Bei nasskaltem Wetter ist die Sterblichkeit der Kälber hoch, obwohl Rentierkälber ihre Wärme-erzeugung um das 5-Fache beschleunigen können und damit über außer-gewöhnliche thermoregulatorische Fähigkeiten verfügen. Geschlechtsreif werden die Tiere nach zwei Jahren. Durchschnittlich werden sie etwa 12 bis 15 Jahre alt, gelegentlich auch mehr als 20 Jahre.

Rentiere sind Herdentiere. Sie finden sich zu den jahreszeitlichen Wanderungen zusammen und können gebietsweise mehrere 100.000 Tiere umfassen; aus Alaska ist eine Herde mit 500.000 Tieren bekannt. Die weltweit größte Rentier-herde war zeitweise die George-Revier-Herde  im Osten CDN’s, die inzwischen von ehemals rund 900.000 Tieren (1980er J.) auf 70.000 (2011) geschrumpft ist. Ein Leittier führt alle an, sonst gibt es keine festen Strukturen. Als Anführer entscheidet es darüber, wann das Nahrungsangebot knapp wird und es Zeit wird, sich woanders nach Futter umzuschauen. Dabei legen sie erstaunliche Wanderungen zurück, wie z.B. Karibus in USA 1.350 km/Jahr, Rentiere auf der russischen Taimyr-Halbinsel 1.200 km. Auch große Flüsse bedeuten für die guten Schwimmer kein Hindernis. Nach den Wanderungen lösen sich die Herden in kleinere Verbände zu zehn bis hundert Tieren auf. Diese Gruppen mit einer Hierarchie, die sich nach der Geweihgröße richtet, bestehen meistens entweder nur aus ♂♂ (Foto oben rechts) oder nur aus ♀♀. Gelegentlich wird die Hierarchie durch ritualisierte Kämpfe entschieden.

Die natürlichen Feinde des Rens sindBären, Wölfe, Luchse und Vielfraße. „Laufen ist für Rentiere existenziell – schon nach der 1. Geburtsstunde“ (Abenteuer Erde: Wildes Norwegen“ WDR©2017); allein in Schweden werden jährlich ≈ 70.000 Opfer von Beutegreifern (¼ des Bestandes).

Gesunde Tiere wissen sich allerdings diesen Feinden durch ihre Laufstärke zu entziehen. Fühlen sie sich bedroht, erreichen sie bei ihrer Flucht eine bis zu 80 km/h (damit würden sie locker die schnellsten Rennpferde überholen. So fallen den Raubtieren gewöhnlich nur kranke und geschwächte Rentiere zum Opfer. Die größte Plage stellen Innen- und Außenparasiten dar, v.a. die Myriaden von arktischen Stechmücken. Darüber hinaus hat auch die industrielle Erschlies-sung ihres Weidelandes Auswirkungen auf ihr Überleben, wie am Beispiel der George-River-Herde vermutet.

Es kommt nicht von ungefähr, dass der knapp 1 m lange Vielfrass oft in einem Atemzug mit dem Wolf, dem Braunbären und dem Luchs genannt wird. Er ist das vierte wichtige Grossraubtier in Europa – übrigens nicht nur im hohen Norden Europas, wo er ein gefürchteter Räuber ist (das macht ihn unsympa-thisch und zur Zielscheibe der Rentierhirten in Lappland);  er ist auch in Nordamerika und Sibirien heimisch.

Wie in Finnland Kunst und Natur verbunden werden – entschleunigend! Diese Beziehung ist nicht nur Ausdruck eines zeitgenössischen Bewusstseins, sondern tief verankert in der Identität des waldreichsten Landes Europas.

Wie magische Wesen fliegen sie mit dem Weihnachtsmann in Büchern und Filmen durch die Lüfte. Die Rede ist von Rentieren, die an Weihnachten scheinbar mühelos den mit Schenken voll bepackten Schlitten ziehen.

Quellen: Tanja Liebmann-Décombe „Coole Tiere“ SÜDWEST-PRESSE / KRUSCHEL 20.9.22; „Rentiere können ihre Augenfarbe wechseln“ TierWelt/sk 30.10.13 + Matthias Gräub „Schutzgeld für den Killer“ 21.7.21; Hartmut Felgner „Die Rückkehr der Großraubtiere“ pdf und F-Serie; Katharina Rustler „Wie in Finnland Kunst und Natur verbunden werden“ DerStandard 11.7.23; Finnland; KLEXIKON, Wikipedia.