Wer war Bambis Vater?

Hirsch, Reh, Horn und Geweih – es könnte so einfach sein. Doch der ikonische Disneyfilm „Bambi“ führte uns einst auf falsche Fährten, auf denen viele von uns noch heute unterwegs sind. Hier kommt die Wahrheit über Bambi.

1923 erschien das Buch des österreichischen Schriftstellers und Jägers Felix Salten: „Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde.“ Es handelt vo einem jungen Reh namens Bambi… Walt Disneys Film „Bambi“ kam 1942 in die US-amerikanischen Kinos. Da es in Amerika keine Rehe gibt, machte Disney aus Bambi einen Weißwedelhirsch. Deshalb ist Bambi im Film eigentlich kein Rehkitz, sondern ein visualisiertes Hirschkalb, aus dem im Verlauf der Geschichte folglich auch kein Rehbock, sondern ein Hirsch wird. Bei der deutschen Erstsynchronisation des Films 1950 ignorierte man dies: Das Weißwedelhirsch-Kalb wurde wieder zum Rehkitz, obwohl Rehe keinen sichtbaren Schwanz haben. Bambis Vater blieb ein Hirsch. Bis heute hält sich der Irrglaube, der Hirsch sei der Vater des Rehkitzes und der „Mann“ des Rehes.

Fotos von links: Weißwedelhirsch (F: White-tailed Deer / Odocoileus virginianus – parallel #40 Bighorn Hwy/“Forestry Trunk Rd“/Alberta/CDN), hier ein ♂. Gut sichtbar der Wedel (Schwanz) mit weißer Unterseite. -Kuh ♀ (F: Muncho Lake Provincial Park/British Columbia/CDN); auch hier typisch der Schwanz mit der weißen Unterseite. Rehe hingegen haben keinen (sichtbaren) Schwanz. -Kalb (F: Spruce Wood Provincial Park/parallel #5 Trans-Canada Hwy/Manitoba/CDN) mit aufgestellten Schwanz mit weißer Unterseite.

Von links: Rothirsch Cervus elaphus (F: Wildpark Daun/Eifel/NW) und Hirsch-kuh ♀ (F: Parc animalier de Sainte-Croix/Frankreich) im Sommerkleid; -Kalb (F: Parc naturel régional des Vosges du Nord/Réserve de biosphère transfronta-liére par I’UNESCO/Frankreich) – Nach der Geburt tragen die Jungen von Reh-wild (Kitz), Rotwild und Weißwedelhirsch (Kälber) zur Tarnung für einige Wochen eine weiße Fleckzeichnung.

Von links: Ein Rehbock Capreolus capreolus (F: „Sechser“-Bock – NSG Haken-dorfer Wälder/Naturpark Lauenburgische Seenplatte/Schleswig-Holstein) im rotbraunen Sommerfell. Der winzige Schwanz ist ist nicht zu sehen, denn er ist in dem weißen Fleck am Hinterteil, dem Spiegel, verborgen. Mutter Reh, in der Jägersprache „Geiß“, ist flüchtig (bspw., um einen Fuchs von der Nähe des im Gras abgelegten Kitzes wegzulocken – F: NP Lauenburgische Seenplatte/SH); Rehkitz, eindeutig ohne sichtbaren Schwanz. Die Fleckzeichnung ist nur noch schwach erkennbar.

Die Geweihentwicklung beim Rotwild: Das Erstlingsgeweih besteht zumeist aus Spießen. Die Rosen, die das Geweih vom Rosenstock abgrenzen, entwickeln sich ab dem 2. Zyklus der Geweihbildung. Die Anzahl der Ende pro Stang hat nicht direkt mit dem Alter zu tun. Sein stärkste Geweih erreicht der Rothirsch mit 10 – 14 Jahren. Danach verliert das Geweih wieder an Enden, Masse, Gewicht und Länge („der Hirsch setzt zurück“).

Als „Kolbenhirsch“ wird in der Jägersprache ein Rothirsch bezeichnet, der während des Geweihwachstums in der Feistzeit (vom Fegen bis zur Brunft) ein mit einer behaarten, filzigen Haut umschlossenes „Bast“-Geweih trägt. Der Zeitraum des Wachstums des Geweihes bis zum Fegen wird auch Kolbenzeit genannt.

Das Geweih besteht aus zwei Stangen mit einer bestimmten Anzahl an Enden. Die Endenzahl des Geweihs wird durch Verdopplung errechnet. Hat jede Stange acht Enden, spricht der Jäger von einem 16-Ender. Bei ungleicher Endenzahl, z.B. 8 + 7, wird er als „ungerader“ 16-Ender (ff. Foto) bezeichnet. An der Basis einer Geweihstange bildet sich ein wulstiger Knochenkranz, s.g. „Rosen“.

Gehörnzyklus beim erwachsenden Rehbock: Rosenstöcke – ab dem 3. Monat entwickeln sich mit Beginn der Produktion des Geschlechtshormons Testos-teron auf den Stirnbeinen zwei kleine knöcherne Zapfen. Hier bildet sich später das Gehörn.

Fegen – nach Ende des Wachstums wird die Blutversorgung eingestellt, der Bast trocknet aus und wird vom Rehbock an Gehölz abgescheuert (gefegt). Rosen – wulstiger Knochenkranz an der Basis der Gehörnstange.

Die Gehörnentwicklung beim Rehwild: Beim Rehbock ist die Altersschätzung nach der Gehörnentwicklung schwierig, da Ernährung, Umwelt und Genetik eine wichtige Rolle spielen. Rehkitze kommen im Mai/Anfang Juni zur Welt.

Nach gut einem halben Jahr kann sich beim jungen Rehbock ein knopfartiges Erstlingsgehörn am Ende der Rosenstöcke bilden (im Foto links das Bockkitz), das nach Wochen abgeworfen wird. Diese Knöpfchen sind ohne Basthaut und Rosen. Im Spätwinter schiebt der Kitzbock das „Jährlingsgehörn“ – das erste Folgegehörn, jetzt mit erkennbaren Rosen. Dieses fegt er im Mai und Juni und wirft es wie die erwachsenen Böcke im Herbst ab. Ab Jährlingsgehörn spricht der Jäger von verschiedenen Gehörnstufen. Hier geht man analog zum Rothirsch vor: Man addiert die Zahl der Enden beider Stangen und kommt somit z.B. auf einen „Sechser“.

In den nachfolgenden Fotos sieht man neben dem Jährling (F: NSG Torfkanal und Randmoore/Niedersachsen) sowohl beim Zweijährigen (F: NSG Haken-dorfer Wälder/NP Lauenburgische Seen/Schleswig-Holstein) als auch beim Drei- (F: BSR Schorfheide-Chorin/Brandenburg) und Vierjährigen ein Sechser-Gehörn, doch verschieden stark entwickelt (Altersentwicklung bei guten Bedingungen). Selbst kräftige Jährlinge können schon ein Sechser-Gehörn tragen.

Reh- und Schwarzwild dominieren, Rotwild auf Platz elf – Zahl der erlegten Tiere ausgewählter Wildarten im Jagdjahr 2022/2023 in Deutschland: Rehwild 1.293.466, Schwarzwild 492.594, Fuchs 412.245, Wildtauben 275.954, Wildenten 242.320, Feldhasen 236.587, Waschbären 202.519, Wildgänse 136.665, Fasane 87.935, Dachse 82.741, Rotwild 73.247, Damwild 64.735, Wildkaninchen 63.856 Stück.

Geweih oder Hörner – was ist der Unterschied? Geweihe bestehen, im Gegen-satz zum Horn, aus Knochensubstanz. Chemie ist es eine Matrix aus etwa 60 % Mineralsalzen (v.a. Kalziumphosphat), durchsetzt mit Kollagen (faserartiges Eiweiß). Das Kalziumphosphat verleiht Härte, das Kollagen sorgt für die Elastizität. Bei uns tragen Rot-, Sika- und Damhirsch sowie Rehböcke * ein Geweih Cerviden. Auch der Elch und das Rentier sind Geweihträger. Lediglich bei Rentieren bilden auch die ♀♀ Geweihe aus, die jedoch kleiner sind. Sie werden jedes Jahr abgeworfen und neu gebildet. Die Stangen sind an den Enden und Schalen sowie im Bereich der Rosenstöcke massiv und im Kern porös. Die Härte nimmt im Laufe des Wachstums zu. Voll ausgebildete Herbst-Geweihe oder Abwurfstangen sind deswegen für die Verarbeitung und Nutzung, wie bspw. Schnitzereien oder Messergriffschalen, ideal. Die bräunliche Verfärbung entsteht durch Blut der sich ablösenden Basthaut am Ende der Geweihbildung und durch Pflanzensäfte, die beim Schlagen des Geweihs an Büsche und Bäumen in die Knochensubstanz eindringen. Je rauer die Umstände sind, unter denen frei lebenden Tiere aufwachsen, desto fester und fein strukturierter sind die Geweihe. * Beim Rehbock in der Jägersprache als „Gehörn“ bezeichnet. – Hörner sind modifizierteHautzellen, die stetig weiterwachsen und nicht abgeworfen werden. Hörner finden sich bei der Gruppe der Hornträger Bovidae, zu denen u.a. Rinder, Ziegen, Schafe und Antiloparten zählen. Im Unterschied zu den meisten Hirscharten tragen auch ♀ ♀ Tiere häufig Hörner.

Heimische und bei uns vorkommende Tierarten (Geweihträger):

Der Rothirsch Cervus elaphus (F: WP Daun/Eifel/Nordrhein-Westfalen) ist die größte heimische Hirschart. Ursprünglich besiedelte er v.a. Steppen. Er wurde durch den Menschen verdrängt und so zum Waldbewohner. Straßenbau und Landwirtschaft verkleinern zunehmend seinen Lebensraum. In vielen Bundes-ländern darf Rotwild nur in ausgewiesenen -bezirken leben; außerhalb besteht ein zum Teil strenges Abschussgebot. Das Sikawild Cervus nippon (F: (Neozoen – WildtierPark Edersee/Hessen) ist deutlich kleiner als das Rotwild und ähnelt von der Größe eher dem Damwild. Das Sommerkleid ist rotbraun und weist mehr oder wenig ausgeprägte helle Fleckenreihen und einen dunklen Aalstrich entlang des Rückens auf. Im Winter sind die Tiere dagegen einheitlich grau bis schwarz gefärbt. Flecken sind zu dieser Jahreszeit meist nicht mehr aus-zumachen. Die ursprünglich ist Ostasien beheimateten Tiere wurden insbes. im 19. Jh. als jagdbares Wild in die freie Wildbahn ausgesetzt. Es wird häufig in Gehegen zur landwirtschaftlichen Wildhaltung gehalten. Beim Damwild (F: FFH/NSG/Nat. Naturerbe Diersfordter Wald/Nordrhein-Westfalen) heißen die ♂♂ Damhirsche, die ♀ ♀ -tiere. Die Art ist größer als das Reh, aber kleiner als der Rothirsch. Das Sommerkleid ist hellbraun mit weißen Flecken. Es stammt ursprünglich aus Kleinasien und wurde von vor 2.000 Jahren in Gattern gehalten.

Rehwild Capreolus capreolus (F: Günnemoor/NSG Teufelsmoor/Niedersachsen) ist meist tagaktiv und kommt in allen Lebensräumen vor. Es ist ein Kultur-folger, der sich der vom Menschen geprägten Landschaft gut angepasst hat. Es bevorzugt zumeist Waldrandzonen, lebt aber auch in gering bewaldeten Regionen – der Jäger spricht hier von Feldrehen. In Deutschland leben ca. 2,5 Mio. Rehe. Einzelne Elche Alces alces (F: Biebrzański N.P./Polen) ziehen seit einigen Jahren immer wieder aus Osteuropa nach Brandenburg. Im dünn besiedelten Bundesland mit seinen Feuchtwiesen und Moorwäldern sind die Lebensbedingungen ideal. Der Elch ist die größte Hirschart. Er lebt in Nord- und Osteuropa, Nordasien und Nordamerika. Rentiere Rangifer tarundus (F: Mallan luonnonpuisto/Strict Nature Reserve/Lappland – Grenzregion Finnland – Norwegen) leben im Sommer in den Tundren und im Winter in der Taiga Nordeurasiens und Nordamerikas und sind die einzige Hirschart, die vom Menschen gehalten wird. Die traditionelle Lebensweise vieler indigener Völker des eurasischen Nordens ist durch das Zusammenleben mit Rentieren geprägt. Als einzige Hirschart trägt hier auch das ♀ ein kleines Geweih.

Heimische und bei uns vorkommende Tierarten (Hornträger):

Der Steinbock Capra ibex (F: Churfirsten/Hochplateau unterhalb Chäserrugg / Schweiz)gehört zur Gattung der Ziegen. Er ist ein wahrer Kletterkünstler und lebt in den Hochgebirgsregionen der Alpen. Er kommt mit karger Nahrung aus. Dabei steigt er bis in Höhen von 3.500 m auf. Im Winter bleibt er in tieferen Lagen, und auch im Sommer steigt er zum Fressen oft auf alpine Wiesen ab, während er zum Übernachten die großen Höhen aufsucht. Ob der Mufflon Ovis orientalis musimon (F: „Widder“ / Neozoen – Wildgehege Eichert/Göppingen) als Wildschaf Vorfahre des Hausschafs oder ein verwilderter Nachkomme ursprünglicher Hausschafe ist, bleibt umstritten. Verbreitet war er ursprünglich nur auf Korsika und Sardinien, ist inzwischen aber in zahlreichen Gegenden Europas eingeführt worden. Die Gämse Rupicapra rupicapra (F: Birkental/Tirol/Österreich) ist ein Wiederkäuer. Sie lebt in Gebirgslandschaften und zieht im Sommer auf Hochlagen bis 2.500 m. In Deutschland kommt sie in den Alpen und in geringer Zahl auch im Schwarzwald und auf den Schwäbischen Alb vor Der Jäger spricht von der Gams, dem Gamsbock und dem Gamswild.

Wisente Bison bonasus (F: „Bulle“ – Puszczy Borecka/Polen) sind etwas kleiner als die Bisons Nordamerikas. Doch sie sind die größten Landsäugetiere Europas. Das letzte frei lebende Tier wurde 1927 im Kaukasus erlegt. 1952 wurde der Wisent im polnischen N.P. Białowieża durch Auswilderung von Zootieren wieder angesiedelt. Mochusochsen Ovibos moschatus (F: Musk-ox Farm Meile 50, #1 Glenn Hwy./Alaska) – sie sind Überlebende der jüngsten Eiszeit – gewaltige Tiere mit mächtigen Hörnern und langem zotteligem Fell. Jahrtausende waren sie vom europäischen Festland verschwunden“ (sehr viele Expl. mussten zur Gewinnung von Moschus [Herstellung von Parfüm bis Ende der 1970-er Jahre] ihr Leben lassen; ihre Winterwolle isoliert 8x mehr als Schafwolle). Die Paarhufer gehören zu den Ziegenartigen. Sie leben in Herden von 5 – 15 Tieren. Ihre Heimat liegt im Norden Grönlands, Kanadas und Alaskas. Inzwischen sind die Moschusochsen im norwegischen N.P. Dovrefjell wieder heimisch. Nachrichtlich als Beispiel für Antilopenarten: Der Gabelbock Antilocapra americana / Pronghorn, auch als Gabelantilope, bekannt, ist ein nordamerikanischer Wiederkäuer der Prärie (F: „Golden Prairie“/Manitoba – östlichste der Prärieprovinzen Kanadas), ist aber auch in der Sonora-Wüste / USA zu finden.

Quellen: Michael Setzer „Wer war Bambis Vater?“ SÜDWEST PRESSE / WISSEN 18.9.21 + KRUSCHEL 2.8.21; Deutscher Jagdverband, WILDTIERPORTAL BAYERN; planet wissen; Wikipedia; HF Traumreise „Alaska – Kanada“ und F-Serie