Getreu dem bekannten Kinderlied aus der Zeit um 1900 „Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald…“, und zwar in einem Waldstück irgendwo in der Nähe von Bühl/Lkrs. Rastatt / Region Mittlerer Oberrhein, bis eine Joggerin sie entdeckte. Der Fund 5/2009 der Jungen war eine Sensation, galten die Wild-katzen in Baden-Württemberg seit 100 Jahren als ausgestorben. Als die Wildtierpfleger sie rd. sechs Monate später in die Freiheit entließen, flitzten sie in entgegengesetzten Richtungen davon – typisch für Wildkatzen, sie sind eben Einzelgänger! (Nicole Röndigs „Unsichtbare Jäger“ GEOlino 12/2016).
Europäische Wildkatze Felis silvestris silvestris; seit 1912 galt sie in BW als ausgerottet. Meldungen (ohne Nachweis) aus dem Schwarzwald gab es immer wieder, bis 2006/2007 am Kaiserstuhl zwei überfahrene Exemplare gefunden wurden. Während sie in den N.P. Bayerischer Wald, Eifel, Harz, Hainich (≈ 50 Expl.), Hunsrück-Hochwald *, Kellerwald-Edersee und in den Naturparks
Spessart und Steigerwald schon seit geraumer Zeit leben, wurden sie nach den v.g. Funden (per Baldrian [= Paarungsduft]-Lockstock-Methode) entlang des Rheins, im NP Stromberg und vor drei Jahren im Ostalbkreis und Esslingen bestätigt. Neue Nachweise gibt es vom Mittleren Oberrhein, Raum Karlsruhe, Mittlerer und Nordschwarzwald; erster genetischer Nachweis einer Wildkatze in den Freiburger Voralpen/Schweiz (BUND; KORA 25.3.21; SZ 20.11.23; D©2018.
Die FVA BW hat das Forschungsprojekt in den Rheinauen und am Kaiserstuhl fertig gestellt. Ihr Erhaltungszustand wird im BfN-Bericht ’13 als derzeit „ungenügend“ eingestuft. Laut Allensbach-Umfrage 16.11.20 sprachen sich 88 % für ihre Verbreitung aus. („Auf Raubtierpirsch im Märchenwald“ GEOlino extra 29/2011; Waldwissen 1/2021; „Siegeszug der Samtpfoten“ SHZ 5.2.21; „Wild-katzen im kommen“ BUND 17.7.23).
* Anm.: Ausgerechnet in einem Schutzgebiet im Hunsrück soll ein MTB-Park gebaut werden – dies könnte dort das Aus für die Wildkatze bedeuten. Um den Bikepark trotzdem in der Kernzone des N.P. und in einem FFH-Gebiet durch-zusetzen, sind Gemeinde und Behörden bereit, den Naturschutz auszuhebeln. Die Regierung von Rheinland-Pfalz hat sogar eine Bürgschaft für das Mio.-Projekt in Aussicht gestellt Rettet den Regenwald 13.4.19. PS: Fotofalle N.P. Nord-Schwarzwald „erster Nachweis“ SWP 20.7.19!
Projekt Wildkatzensprung: Der BUND untersucht bundesweit Verbreitung (5. – 7.000 Expl.), Verwandtschaftsverhältnisse und Wanderung mit Hilfe der Gen-technik für eine umfassende Gendatenbank. Winter 2012/2013 fehlten in der Regionen Stromberg-Heuchelberg, Schwäbische Alb und Ostalb Nachweise, obwohl es sie dort bereits gab (Ausgangsbasis bisher, dass sich das scheue Tier eher in großen Waldgebieten aufhält). Um die vorhandenen Erkenntnisse mit den aktuellen Gegebenheiten vergleichen zu können, wurden 20 Expl. mit GPS-Halsbändern ausgestattet. Erste Erkenntnisse: Sie können sich gut an ihre Umwelt anpassen und in einer für sie feindlichen Umgebung überleben. Sie machen jedoch an Staatsgrenzen nicht Halt. Als Mitglied des Netzwerkes „Friends oft the Earth“ arbeitet der BUND auf internationaler Ebene und setzt sich für den EU-weiten Biotopverbund ein. Ziel: Eine Vernetzung auszulösen, z.B. Grünes Band. Erster Projektpartner für das Rettungsnetz (’14 als offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt gewürdigt) war der N.P. Thayatal/Österreich – jüngste genetische Analysen von Haarproben ergaben den Nach-weis. BUND ist es mittlerweile gelungen, fast 500.000 km² an Flächen für grüne Korridore zu sichern, die es der Wildkatze u.v.a. gefährdeten Tierarten ermöglichen, neue Wälder zu besiedeln.
BUND und FVA BW haben eine Verbreitungskarte vorgelegt. Während sie in der Rheinebene in fast allen Waldgebieten vorkommen, sind sie in anderen Landes-teilen verstreut. Von besonderer Bedeutung ist der Nachweis im Lkrs. Tuttlingen; weitere im Ostalbkreis, Esslingen und Kraichgau.
Steckbrief: die Europäische Wildkatze Felis silvestris silvestris (F: N.P. Bayer. Wald) ist keine verwilderte Hauskatze, sondern ein echtes Wildtier und wird nicht einmal dann zahm, wenn man sie mit der Flasche aufzieht. Die Katzen-artigen, hierzu gehören Feloidea, Feliformia und Aeluroidea, sind eine zur Ordnung der Raubtiere gehörende Überfamilie und Schwestergruppe der Hundeartigen): Luchs und Wildkatze zählen zu den Kleinkatzen Felinae. Dabei gehen Luchs und [Haus-]/Falbkatze (Vorfahrin alles Hauskatzen) seit 7,2 Mio. Jahren getrennte Evolutionswege TV-direkt 10/2017.
Merkmale: plumper Körperbau (Körper-Länge: 50 – 75 cm); grau- bis creme-gelbes, stets getigertes Fell (adulte Expl. deutlich abgeschwächte, verwischte Fell-Zeichnung); Aalstrich bis zum Schwanzende; heller Halskehlfleck; weiße Schnurr- und Tasthaare (kräftig ausgebildet); buschiger Schwanz mit dunklen Ringen u. stumpfen, schwarzen Ende (25 – 40 cm – ≈ ½ Körperlänge), Gewicht: 4 – 5 kg; Lebenserwartung in freier Natur ≈ 10 Jahre. Schutzstatus: Washingtoner Artenschutzabkommen CITES-Anhang II / EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie FFH-IV + ArtSchVO-A / BNatSchG-s „streng geschützt“ und § 54,2 „Nationale Verantwortungsart“ / Jagd- und Wildtiermanagement BW JWMG / Rote Liste R.L. Kategorie 2 / Bundesprogramm Biologische Vielfalt BBV / Aktionsplan Biol. Vielfalt – Artenkorb BW 111 / Tier des Jahres „1993 + 2018“). Zum Wildtier ’18 ernannt, und, weil sie in der Bevölkerung so gut wie unbekannt ist, wurde sie ein Lieblingstier der Forschung.. Inzwischen weiß man, dass es zwei große Populationen gibt – eine „westdeutsche“ (v.a. im Saarland + Rheinland-Pfalz zu Hause) und eine „mitteldeutsche“ (in Hessen, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt). Vermutlich haben sich die beiden Gruppen in der letzten Eiszeit auf verschiedene nicht ganz so kalte Gebiete zurückgezogen; weil diese Tiere sehr ortstreu sind, hat man danach nicht mehr zueinandergefunden. In der Region Rothaargebirge/Kellerwald ist laut Fachliteratur ein Aufeinander-treffen der beiden Populationen zu beobachten. ZEIT-Magazin 24/2018 und Gutachten „Einfluss von Hauskatzen auf die heimische Fauna“ (2014) Prof. Dr. Klaus Hacklander, Universitat für Bodenkultur ‚BOKU‘ Wien. Wildkatzenkorridor in BW: 6/2016 wurde der erste BUND-Wildkatzenkorridor zw. Herrenberg und Nufringen eingeweiht. Der Startschuss zur Errichtung des zweiten Korridors folgte 3/2018 im Lkrs. Ludwigsburg. Dabei arbeitet der BUND mit der Forst-verwaltung und dem Landschaftserhaltungsverband im Lkrs. Ludwigsburg zusammen. Ziel ist es, dass die Wildtiere künftig sicher vom Nordschwarzwald zum Schönbuch bis hin zum Schwäbisch-Fränkischen Wald hin und her wandern können. („Der Wildkatze in BW auf der Spur“ Mitteilungsblatt Schlat 18.3.22; „Die 5 häufigsten Fragen zur Wildkatze“ BUND 23.1.24; Lokalmatador).
Beutespektrum Wildkatze: Mäuse (F: Gelbhalsmaus Apodemus flavicollis – Gartengrundstück Schlat + Wühlmaus Arvicola terrestris – Wigierski Park Narodowy/Polen; 15 – 20 Stück täglich), Junghasen Lepus europaeus (juv. – Gartengelände Aichelberg), Kaninchen Oryctolagus cuniculus (juv. – NSG „Hohes Elbufer zw. Tesperhude und Lauenburg“ / UNESCO BSR Flußlandschaft Elbe“/ Schleswig-Holstein), Bisam Ondatra zibethicus (Neozoen- NSG Waldnaab/ Bayern), Eichhörnchen Sciurus vulgaris, Siebenschläfer Glis glis (Süßener Wald – weitere Kleinsäuger machen bis zu 80 % Nahrungsanteil aus), Vögel (F: Amsel/ Schwarzdrossel ♂ Turdus merula – Obstplantagen Bodensee/ BW), Rebhuhn Perdix perdix („De Gelderse Poort“ – Naturschutz- u. Landschaftsentwicklungs-projekt im D/NL Grenzgebiet), Eichelhäher Garrulus glandarius), Amphibien (F: Zauneidechse ♂ Lacerta agilis – NSG Spielburg GP-Hohenstaufen) u. Reptilien (F: Westliche Blindschleiche♂ Anguis fragilis – „Ave Maria“, Deggingen + Gras-frosch Rana temporaria (Teichareal in Schlat), Fische (F: Aland Leuciscus idus – Nacionalni park Plitvička jezera/Kroatien), Insekten (F: Sumpfschrecke ♂ Stethophyma grossum – Wigierskiego Parku Narodowego/Polen, Grünes Heu-pferd ♀ Tettigonia virridissima – NSG Haarberg/Ldkrs. GP), kaum pflanzliche Nahrung, in Ausnahmen auch Aas (F: Fallwild/Feldhase). (wildkatze.info; „Naturparadiese“ SWR©2013, NDR©2020).
Der DJV empfiehlt auf den Abschuss von wildfarbenen streunenden Haus-katzen zu verzichten. Lt. Wissenschaft kann man sie von Wildkatzen nur vom Sehen nicht immer sicher unterscheiden. Die Forschung als Grundlage für die Biotopverbundplanung wird von den Jägern praktisch unterstützt und durch die Jagdabgabe mitfinanziert. Lt. Landestierschutzbeauftragte gibt es in BW nach § 13b TierSchG die Möglichkeit für ein kommunales Katzenkastrations- gebot WTB-Treffen FHS Rottenburg 19.11.14 (Der JÄGER in BW 6/2013); in deutschen Haushalten sollen 15,2 Mio. Katzen leben SWP/WISSEN 7.10.23; KORA 23.10./15.12.20; Yasemin Gürtanyel „Auf der Pirsch“ SWP 15.5.21)! In ganz Deutschland leben rd.2 Mio. Katzen auf der Straße, die sich unkontrolliert fortpflanzen SWP 12.8.22. Hauskatzen jagen (≙ Deutschlandweit 20 bis 100 Mio. Vögel jährlich), selbst wenn sie satt sind, weil es ihnen Spaß macht. Großkatzen hingegen erbeuten nur so viel, wie sie auch fressen können (GEOlino 8/2014; Susanne Schötz „Miii-AAAAU“ DER SPIEGEL Nr. 29/2016; „Mörderische Mieze – Die Katze“ Arte©2019)! Zur Zeit startet das Forschungsprojekt „Wildkatzen auf der Spur“ DeWiSt. In Deutschland gibt es nur noch ≈ 6.000 Expl.; nur jeder vierte Welpe überlebt. Auf der R.L. sind die scheuen Waldbewohner als „gefährdet“ eingestuft (Lebensraum geht zunehmend verloren); deshalb sind sie auf Artenschutzmaßnahmen angewiesen – dringender denn je. Um sich fortzupflanzen, brauchen sie naturnahe Wälder ohne menschliche Störeinflüsse. ( Flyer DeWiSt. 18.11.16; „Die Rückkehr der Wildkatzen“ GEOlino 12/2016 u. „Seltene Arten“ GEOlino extra Nr.29). i Wozu dient die Raspelzunge? – Sie erlaubt es der Katze bestens, einer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: sich das Fell zu lecken. Wie das funktioniert, hat Alexis Noel (Georgia Institute of Technology in Atlanta / USA) untersucht: Stoßen die kleinen Häkchen (knapp 300 Papillen von ∅ 2,3 mm) auf ein Hindernis – meistens handelt es sich um verknäultes Fell -, drehen sie sich und graben sich um so tiefer ein. So gelingt es ihr, das Fell zu entwirren. Kleiner Haken: Das Fell löst sich aber nur in eine Richtung von der Zunge mit der Folge, dass sie ihre abgeleckten Haare verschlucken, um es wenig später von sich zu geben SWP 14.1.17. („Gefahr auf vier Pfoten“ GEOlino 9/2018 + „Putzig“ 2/2019)!
Kätzchen immer im Wald lassen Gehen Sie gerne in Wäldern spazieren oder wandern? Dann kann es ab dem Frühjahr durchaus passieren, dass sie auf süße Kätzchen stoßen. Diese dürfen aber nicht gestört und erst recht nicht mitgenommen werden! Wie Sie junge Wildkatzen sicher erkennen und bei einer Begegnung richtig handeln, zeigt dieser Tipp. |
Quellen: Hartmut Felgner „Die Rückkehr der Großraubtiere“ Anhang 1; Klaus Echle, Sabrina Streif, Dr. Rudi Suchant, Sarah Veith „Wildkatzen – Rückkehr in unsere Wälder“ (Knesebeck) und Der JÄGER in BW 1/2019); BUND; Wikipedia, vorherige Links. Wer Wildkatzenjunge oder adulte Wildkatzen gesehen hat, kann dies dem BUND-Wildkatzenteam melden!