Seit Menschengedenken werden Pflanzenstoffe als Medizin verwendet. Auch heute sind sie noch bedeutend in vielen Bereichen der Pharmazie; etwa 70.000 Pflanzen werden weltweit für medizinische Zwecke genutzt. Wenn man eine Wiese mit wildwachsenden Pflanzen vor sich hat, ist es äußerst wahrscheinlich, dass man dort oder an ihren Rändern einige Heilpflanzen entdecken kann, z.B. Acker-Schachtelhalm, Gänseblümchen, Gemeine Wegwarte, Große Brennnes-sel, Huflattich, Echte Kamille, Wiesenlöwenzahn, Garten-Ringelblume oder Echtes Tausendgüldenkraut. Zu den Heilpflanzen zählen bspw. auch Laubholz-Mistel, Schwarzer Holunder und Echte Weinrebe.
Gleich zwei Fachinstitutionen in Deutschland wählen jedes Jahr eine Heil- bzw. Arzneipflanze des Jahres: „Heilpflanze des Jahres“ gekürt durch den Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, gen. Paracelsus e.V., „Arzneipflanze des Jahres“ durch den Studien-kreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg. Zu Letzterem gehören u.a. Echte Arnika, Pfefferminze; Echter Hopfen, Gemeiner Efeu, Gewöhnliche Ross-kastanie, Stechender Mäusedorn und Weißdorne. >>> Heilpflanzen:
Acker-Schachtelhalm Equisetum arvense – der in der Apotheke auch Equiseti herba genannte Schachtelhalm- oder auch Zinnkraut-Tee wird zur Durch-spülung bei bakteriellen und entzündlichen Erkrankungen der Nieren und Harnwege und bei Nierengries verwendet. Er eignet sich auch zur Behandlung von chronischem Husten und zur Ausschwemmung von Ödemen.
Gänseblümchen Bellis perennis – die Naturheilkunde stuft es u.a. als stoff-wechselanregend, schleimlösend und entzündungshemmend ein, Verwendung z.B. bei Atemwegs- und Hauterkrankungen sowie Verletzungen. Das Gänse-blümchen wurde zur Heilpflanze des Jahres 2017 gekürt.
Die Gemeine oder Gewöhnliche Wegwarte Cichorium intybus wird spätestens seit dem Mittelalter zur Arzneimittelherstellung genutzt. Sie ist möglicherweise unter dem Namen solsequium eine der Pflanzen aus der Landgüterverordnung Karls des Großen (der Name ist nicht eindeutig und wurde auch für Ringel-blume, Löwenzahn und Johanniskraut verwendet). Paracelsus empfiehlt sie bereits als schweißtreibend, Kneipp bei Magen-, Darm- und Lebererkrankun-gen. In der Pflanzenheilkunde wird sie zur Stimulierung und zur Heilung von Milz, Leber und Galle eingesetzt, wird aber auch zur allg. Reinigung bei Haut-krankheiten und Ekzemen angewendet. Volkstümliche Anwendungen umfas-sen Appetitanregung (ganze Pflanze), Stimulierung der Sekretion von Verdau-ungssäften und abführende Wirkungen. Die Gemeine Wegwarte wurde vom Verein NHV Theophrastus zur Heilpflanze 2020 gekürt.
Die Große Brennnessel Urtica dioica ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Brennnesseln Urtica innerhalb der Familie der Brennnesselgewächse Urticaceae. Die widerstandsfähige Pflanze, deren Kraut und Samen genutzt werden können, wurde in Deutschland bereits mehrfach zur Heilpflanze des Jahres ernannt, zuletzt 2022. Die Brennnessel gilt als stoffwechselanregend, harntreibend (entwässernd) und durchblutungsfördernd. Tatsächlich ist sie in der Medizin seit einigen Jahren Gegenstand der Forschung: So zeigt Brennnes-selextrakt in Studien eine bemerkenswerte antimikrobielle Aktivität gegen ein breites Spektrum von Bakterien.
Der Huflattich Tussilago farfara gilt als bedeutsame Heilpflanze bei Hustenreiz und wirkt schleimlösend als Muzilaginosum. Arzneilich wirksamster Teil sind die Blätter (Droge: Farfarae folium). Der Huflattich gehört zu den ältesten Hustenmitteln.
Echte Kamille Matricaria chamomilla – sie ist eine Heilpflanze, die v.a. bei Magen- und Darmbeschwerden sowie bei Entzündungen Verwendung findet. Die Echte Kamille wurde vom Verband Deutscher Drogisten (VDD) im Jahre 1987 zur ersten Arzneipflanze des Jahres gekürt. Außerdem wählte man sie zur Heilpflanze des Jahres 2002.
Wiesenlöwenzahn Taraxacum officinale – in der Naturheilkunde unterstützt er die Funktionen von Leber, Galle und Niere. Löwenzahn-Tee wirkt harntreibend, hilft gegen Völlegefühl und regt die Fettverbrennung an. Das Kraut wird auch in Form von Dragees und als Sirup angeboten.
Ringelblume Calendula officinalis – wissenschaftlich belegt ist die positive Wirkung der Garten-Ringelblume bei schlecht heilenden Wunden einschließ-lich Unterschenkelgeschwüren, bei Verbrennungen und Ekzemen. Nachgewie-sen wurden ebenfalls blutfettsenkende, gallenflussanregende und abwehr- steigernde Eigenschaften. Die Ringelblume ist insbes. im Rahmen der Selbst-medikation in der Humanmedizin von Bedeutung. Darüber hinaus wird die Pflanze in der Kosmetik und Tiermedizin benutzt. Vorrangig wird die Blüte verwertet, und zwar für die Herstellung von Tinkturen, Extrakten, Salben und öligen Zubereitungen sowie für die Bereitung von Teeaufgüssen. Heilpflanze des Jahres 2009.
Das Kraut des Tausendgüldenkrauts Centaurium erythraea aus der Familie der Enziangewächse enthält Bitterstoffe und wird bei einer Appetitlosigkeit und bei Verdauungsstörungen eingesetzt. Es ist unter anderem in Magentees und Tropfen enthalten. Das Tausendgüldenkraut wurde vom Verein NHV Theo-phrastus zur Heilpflanze 2004 gekürt.
Der Grund für die bis heute große Bedeutung des Ginkgo Ginkgo bibloba für Kunst, Kultur und Heilkunde liegt vor allem in der Chinesischen Philosophie und der ansprechenden Morphologie des Baumes und seiner Blätter. Er wird seit langem als kraftspendend und lebensverlängernd verehrt. Extrakt wirkt durchblutungsfördernd und kann die Kommunikation zwischen den Nerven-zellen verbessern. Dadurch kann er sich positiv auf die Gedächtnis- und Lern-leistung sowie die Konzentrationsfähigkeit auswirken. Außerdem werden ihm antioxidative und nervenschützende Eigenschaften zugeschrieben. Der Ginkgo-baum ist ein lebendes Fossil. Verwandte Arten sind nur aus rd. 100 Mio. Jahre alten Versteinerungen bekannt.
Die Mistel Viscum album, Loranthaceae ist ein pflanzliches Arzneimittel, das in der Volksmedizin bei Bluthochdruck und in der anthroposophischen Medizin bei Krebsleiden angewendet wird. Aus den Misteln wurde auch Vogelleim berei-tet. Für die medizinische Verwendung wurde ihnen die Kraft zugeschrieben, Geschwüre zu erweichen und sie zur Reifung zu bringen. Die von der Eiche unter Anwendung von Ritualen gewonnene Mistel sollte bei Epilepsie und zur Förderung der Empfängnis der Frauen angewendet werden. Die giftige Mistel ist ein Halbparasit. Sie zapft das Wasserleitungssystem ihres Wirtsbaums an und entzieht im Wasser und Nährsalze. Ihre Früchte werden von Vögeln gefressen.
Die hoch in den Bäumen wachsenden Misteln sieht man am besten, wenn ihre Wirtsbäume kahl sind.
Schwarzer Holunder Sambucus nigra – wie bereits vor Jahrhunderten, wird die Wirkkraft des Holunders auch heute noch zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten eingesetzt. Holunderblüten gelten als schweißtreibendes Mittel bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten. Er wurde vom Verein NHV Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres 2024 gekürt. In der Begründung heißt es, den Schwarzen Holunder nutzen „viele als Beerensaft oder Blütentee bei Erkältungskrankheiten“. Unreife und rohe Früchte können v.a. für Kinder gesundheitsschädlich sein. Reife Früchte lassen sich u.a. aber gut zu Marmelade verarbeiten.
Echte Weinrebe – Vorkommen in Auwäldern, v.a. im Mittelmeerraum, sonst sehr selten; Kulturformen (Foto) an sonnigen, wärmebegünstigten Standorten. Wenn Wein mit Essigsäurebakterien versetzt wird, erhält man einen desinfizie-renden und verdauungsfördernden Weinessig. Kurz nach der Weinlese werden die tiefroten Blätter bestimmter Rotweinsorten geerntet. Sie enthalten beson-ders hohe Mengen an Polyphenolen und werden zur Behandlung von Venen-leiden eingesetzt. Der NHV Theophrastus hat die Weinrebe zur Heilpflanze des Jahres 2023 gekürt. Die pharmazeutische Anwendung erfolgt insbes. zur Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz. >>> Arzneipflanzen.
Echte Arnika oder Bergwohlverleih Arnica montana – ihre entzündungs-hemmende, abschwellende und schmerzlindernde Wirkung ist besonders wertvoll bei Blutergüssen, Prellungen, Verstauchungen, Sehnenscheiden-entzündungen, Quetschungen, Verbrennungen oder rheumatischen Muskel- und Gelenkbeschwerden. Sie ist vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen zur Arzneipflanze des Jahres 2001 ernannt worden.
Pfefferminze Mentha × piperita lindert Schmerzen, Krämpfe, Kopfschmerzen und erweitert die Atemwege, kann aber auch bei Gelenkschmerzen und Muskel-verspannungen helfen. Das ätherische Öl der Minze wird bspw. in Erkältungs-balsamen verwendet oder auch in kleinen Roll-Ons gegen Kopfschmerzen. Die Minze wurde vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen zur Arzneipflanze des Jahres 2004 ernannt.
Hopfen Humulus lupulus hat eine antibakterielle, beruhigende, blutreinigende, tonisierende Wirkung. Geeignet bei Nervosität, Herzbeschwerden, Herzklopfen, Unruhe, Schlafstörungen, Migräne, Angstzuständen und Wechseljahrsbe-schwerden und wirkt beruhigend und verbessert den Schlaf. Für Wissenschaft-ler der Universität Würzburg ist der Hopfen die Arzneipflanze des Jahres 2007. Das Krebsforschungszentrum in Heidelberg sieht in dem Rankengewächs ein großes Potenzial für die Krebsprävention. Aus kultivierten Pflanzen (Foto) wird das zum Bierbrauen verwendete Hopfenmehl gewonnen.
Der Gemeine oder Gewöhnliche Efeu Hedera helix wurde in Deutschland 2010 zur Arzneipflanze des Jahres gekürt. Seine Blattextrakte lösen festsitzenden Schleim, mildern den Hustenreiz und entkrampfen die Bronchialmuskulatur. Auch entzündungshemmende Effekte wurden festgestellt. Die antitussive Wirksamkeit ist vor allem den enthaltenen Saponinen wie Hederacosid C und α-Hederin zu verdanken. Er ist eine kletternde bzw. kriechende Pflanze, die anfangs krautig wächst, und erst später zu verholzen beginnt. Efeu ist in allen Teilen giftig. Die Zweige winden sich nicht, sondern heften sich mit kurzen Wurzeln der Unterlage fest.
Gewöhnliche Rosskastanie Aesculus hippocastanum, auch Gemeine oder Weiße Rosskastanie genannt – ihre Samen enthalten Substanzen, die sich positiv auf die Gefäße auswirken und Entzündungen hemmen.; also heute vorwiegend zur Behandlung von Venenbeschwerden eingesetzt, also bei Krampfadern, Schmer-zen, Juckreiz, Schwellungen und müden Beinen eingesetzt. Weitere Anwen-dungsgebiete sind Wadenkrämpfe, Blutergüsse, Sportverletzungen, Hämor-rhoiden und Hauterkrankungen. Sie wurde vom Studienkreis Entwicklungs-geschichte der Arzneipflanzen zur Arzneipflanze des Jahres 2008 ernannt. In Parks findet man auch oft die Rotblühende Rosskastanie Aesculus x carnea, deren Früchte kaum bestachelt sind.
Stechender Mäusedorn Ruscus aculeatus – bis zur Neuzeit wurde der Mäuse-dorn auch gegen Nierenschmerzen, Blasensteine und Bauchschmerzen ver-wendet. Er gilt heutzutage als klassisches Heilmittel bei Venenproblemen und wurde vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzen zur Arzneipflanze des Jahres 2002 ernannt. Er gilt als wenig giftig bis giftig; giftig sind die Beeren.
Die Weißdorne Crataegus sind eine Gattung von Sträuchern oder kleinen Bäumen der Kernobstgewächse Pyrinae innerhalb der Familie der Rosen-gewächse Rosaceae. In den gemäßigten Klimazonen der Nordhalbkugel gibt es 200 bis 300 Arten. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in Nordamerika, insbes. im östlichen Teil. In Europa werden etwa 22 Arten unterschieden. Als Früh-lingsblüher, der den Frühling einläutet, kommt dem Weißdorn schon immer eine symbolische Bedeutung zu. Studien zeigen aber, dass er auch ein gutes Mittel bei ersten Anzeichen von Herzschwäche und Atemlosigkeit ist sowie bei leichten Herz-Rhythmusstörungen. Arzneipflanze des Jahres 2019.
Quellen: „Wegweiser durch die Natur“ Verlag Das Beste (ISBN 3-87070-694-5); „Bäume und Sträucher einfach und sicher bestimmen“ Sonderausgabe ADAC-Naturführer (ISBN 3-89905-331-1); „Arzneischrank Natur“ SÜDWEST-PRESSE / WISSEN 17.2.24; PharmaWiki; Wiki.