Wildnis in Deutschland

Unberührte Landschaften sind in unserem dicht bewohnten und industriell geprägtem Land nur selten zu finden. Derzeit gibt es in Deutschland 16  Nationalparke mit einer Gesamtfläche von 1.050.442 ha (Stand: Okt. ’20). Bezogen auf die terrestrische Fläche Deutschlands, bei der die marinen Gebiete unberücksichtigt bleiben, beträgt die Gesamtfläche der Nationalparke 208.238 ha, dies entspricht einem Flächenanteil von rd. 0,6 % des Bundesgebietes. In den Nationalparks und einigen weiteren Schutzgebieten wird aber versucht, die Natur weitestgehend sich selbst zu überlassen. Menschen dürfen N.P.’betreten, jedoch gelten dort Verhaltensregeln die beachten werden müssen. Diese Zielen meist darauf ab, die Pflanzen- und Tierwelt nicht zu stören. Die Jagd auf Tiere ist in den N.P.’s verboten. Das Ökosystem soll selbst ein natürliches biologisches Gleichgewicht entwickeln.

Wie die berühmten amerikanischen Vorbilder tragen auch deutsche Wildhüter die Bezeichnung „Ranger“. Zu ihren Aufgaben gehört nicht nurmehr Schutz und die Landschaftspflege, sie leisten auch Öffentlichkeitsarbeit und kümmern sich um Parkbesucher.

An den Küsten befinden sich die drei mit Abstand größten Nationalparks:

Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer (Gründung 1985 – 438.000 ha) – er ist in 2 Schutzzonen unterteilt. Nach dem Nationalparkgesetz ist grundsätzlich alles untersagt, was der Natur oder den Tieren und Pflanzen im N.P. schaden könnte. Die Zone 1 ist der ungestörten Entwicklung der Natur vorbehalten und darf – im Gegensatz zur Zone 2 – nicht betreten werden. Im küstennahen Bereich sowie bei geführten Wattwanderungen auf festgelegten Routen sind Ausnahmen möglich. Völlig unberührt bleiben soll nur das 125 km² große „Nutzungsfreie Gebiet“ zwischen den Inseln Sylt und Föhr. Zur Zone 2 gehört das  Waldschutzgebiet, das westlich vor den Inseln Sylt und Amrum zum Schutz für Kleinwale und Meeresvögel eingerichtet wurde.

Niedersächsisches Wattenmeer: Das Wattenmeer vor der niedersächsischen Nordseeküste ist seit 1986 als N.P. geschützt. Mit einer Fläche von rd 3.450 km² ist es der zweitgrößte deutsche N.P.; gleichzeitig UNESCO-Biosphärenreservat und Teil des UNESCO-Weltnaturerbes Wattenmeer.

Vorpommersche Boddenlandschaft: Wildes Tosen und den Klang der Stille vereint der größte N.P. an Deutschlands Ostseeküste (1990 – 786 km²). Einzigartige Lagunen der Ostsee – die Bodden – und eine Küste in ständiger Bewegung sind seine Markenzeichen. Über Jh. ist hier ein beeindruckendes Mosaik an Lebensräumen mit einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt entstanden. Hier darf sich die Natur nach ihren eigenen Regeln entwickeln, ganz nach dem Motto aller 16 N.P.’s in Deutschland „Natur Natur sein lassen“.

Müritz: Willkommen im Land der Tausend Seen (1990 – 322 km², Seen mit einer Größe über 10.000 m²) – Wo der Seeadler in einem unendlichen Himmel seine Kreise zieht, der Fischadler aus schwindelnder Höhe in den See stürzt und das Trompeten der Kraniche das Frühjahr und den Herbst eines jeden Jahres begleitet, ist eine Landschaft, die uns an Märchen und Geschichten alter Tage erinnert. Sie hat mit ihren weiten Wäldern, glitzernden Seen und wundersamen Mooren etwas Ursprüngliches, ja Wildes an sich, das unsere Ehrfurcht vor der Natur weckt. Lassen Sie uns das bewundern und bewahren, für uns und unsere Kinder.

Bayerischer Wald: Der 1970 gegründete Nationalpark Bayerischer Wald ist der erste und damit älteste sowie der größte Wald-Nationalpark Deutschlands. Auf einer Fläche von fast 25.000 ha finden sich hier ca. 320 km gut beschilderte Wanderwege und ca. 170 km Langlaufloipen. Die N.P. Bayerischer Wald und Šumava (Böhmerwald) bilden das Herzstück des Grünen Dachs Europas und sind mit 900 km² das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mittel-europas. Im NN.P. hat sich durch die Philosophie „Natur Natur sein lassen“ eine einmalige Artenvielfalt entwickelt. Seltene Tiere wie Luchs, Fischotter, Auer-huhn oder Habichtskauz finden hier wieder ein Zuhause. (Quelle: Bayerischer Wald.de)

Harz: Der N.P. (2006 – 24.732 ha) ist ein bewaldetes NSG im nördlichen Mittel-deutschland, das sich über die Bundesländer Niedersachsen u. Sachsen-Anhalt erstreckt. Inmitten einer vielfältigen Berglandschaft thront der 1.141 m hohe Brocken als höchster Punkt im N.P. Heute durchstreifen Luchse wieder den gesamten Harz und verbreiten sich auch in angrenzende Naturräume.

Berchtesgaden: Der N.P. (1978 – 20.804 ha) in den Gemeinden Ramsau bei Berchtesgaden, Schönau am Königssee und Berchtesgaden in den Berchtes-gadener Alpen im bayerischen Landkreis Berchtesgadener Land ist der einzige deutsche N.P. in den Alpen. Seit 2021 konnten nun bereits acht Bartgeier ausgewildert werden. 140 Jahre nachdem der Mensch sie ausgerottet hat, fliegen die gefährdeten Giganten nun wieder durch die Lüfte der deutschen Alpen. Das Gemeinschaftsprojekt ist auf mindestens 10 Jahre angelegt und soll die zentraleuropäische, alpine Population und dabei v.a. die Wiederansiedlung dieser seltenen Vogelart in den Ostalpen entscheidend unterstützen. (Quelle: Berchtesgaden.de)

Hamburgisches Wattenmeer: Der N.P. besteht seit 1990 und ist der kleinste (13.750 ha) der drei Wattenmeer-N.P.’s. Er hat aber den größten ‚Wildnis‘-Anteil an seiner Fläche (über 90%). Seit 1992 ist er außerdem UNESCO-Biosphären-reservat und seit 2011 Teil des Wattenmeer-Weltnaturerbes.

Eifel: Der inmitten des Naturparks Hohes Venn-Eifel gelegene N.P. (2004) ist ein 110 km² großes Naturschutzgebiet, das in Nordrhein-Westfalen liegt und an Belgien sowie den Rurstausee angrenzt. In den Buchenwäldern des N.P.’s leben Wildkatzen, Rothirsche, Uhus und andere Wildtiere. Der Wildnis-Trail führt an Flüssen und Tälern entlang, in denen im Frühjahr Wildblumen blühen. 

Unteres Odertal: Der N.P. Unteres Odertal, ein Teilgebiet des Internationalpark Unteres Odertal, wurde 1995 gegründeter. Er liegt am Unterlauf der Oder im Nordosten Brandenburgs in den Lkrs. Barnim und Uckermark und umfasst eine Fläche von 10.323 ha. Umgeben wird der N.P. auf deutscher Seite von dem 17.774 ha großen Landschaftsschutzgebiet Nationalparkregion Unteres Odertal. und bildet mit dem angrenzenden polnischen Park Krajobrazowy Dolina Dolnej Odry (ca. 6.000 ha) und dem Cedyński Park Krajobrazowy (ca. 30.850 ha) und dessen Schutzzone eine räumliche Einheit. Das Schutzgebiet ist Bestandteil des europäischen ökologischen Netzes Natura 2000.

Hunsrück-Hochwald -Der biologische Hotspot zwischen Kelten und Römern: Auf einer Fläche von 10.000 ha erstreckt sich der N.P. über die Hochlagen des Hunsrücks. Das Bundesamt für Naturschutz zählt das Gebiet schon heute zu einer „Hotspot-Region für biologische Vielfalt“. Urige Wälder und eine arten-reiche Tier- und Pflanzenwelt prägen das Bild. Ein Mittelgebirge mit schier endlosen Waldarealen kennzeichnet die Landschaft und grenzt sie von den umliegenden, bekannten Weinanbaugebieten, der Mosel, dem Rhein, der Nahe und der Saar ab.

Schwarzwald: Der N.P. (2014 – 100,62 km²) liegt am Hauptkamm des Nord-schwarzwalds überwiegend zw. der Schwarzwaldhochstraße und dem Tal der Murg. Er besteht aus zwei etwa 3,5 km voneinander getrennten Einzelbereichen um Ruhestein (7.615 ha) und Hoher Ochsenkopf/Plättig (2.447 ha) und befindet befindet sich inmitten des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord. Der National-parkrat hat am 21.2.25 dem Entwurf zum Lückenschluss der beiden bislang getrennten Teile des N.P. zugestimmt. Damit ist der Weg frei für das Gesetz-gebungsverfahren auf Landesebene – Ziel ist es, dass das neue Gesetz im Herbst ’25 im Landtag beschlossen wird und zum 1.1.26 in Kraft treten kann. (LNV-Info 3/2025).

Sächsische Schweiz: Bizarr, skurril, urwüchsig… welche Worte Sie auch immer finden, lassen Sie sich beeindrucken! Von Sandsteinnadeln und Felsriffen, Buchenwäldern und Wildbächen – Meisterwerken der Natur, die seit 1990 als N.P. (9.350 ha) unter Schutz stehen. Vollendung findet das Gesamtkunstwerk „Nationalparkregion Sächsische Schweiz“ in seinem LSG aus weiten Ebenheiten mit majestätischen Tafelbergen und der tief eingeschnittenen Elbe.

Kellerwald-Edersee: Im nordhessischen Lkrs. Waldeck-Frankenberg ist ein um den Edersee gelegener N.P. im Nordteil des Mittelgebirges Kellerwald; seit dem 25.6.2011 ist das Buchenwald-Gebiet des N.P.’s Teil der UNESCO-Weltnatur-erbestätte Buchenurwälder und Alte Buchenwälder der Karpaten u.a. Regionen Europas. Nach einer Erweiterung im Jahr 2020 um Gebiete nördlich und östlich des Sees umfasst der N.P., gegliedert in 3 Teilflächen, inzwischen insgesamt 76,88 km².

Hainich: Der N.P. Hainich, der am 31.12.1997 gegründet wurde, ist der einzige in Thüringen. Eines der wichtigsten Ziele des 7.500 ha großen Parks ist der Schutz des heimischen Buchenwaldes (größtes zusammenhängendes Laubwaldgebiet Deutschlands).

Jasmund: Der N.P. (1990 – 3.070 ha) liegt auf der Halbinsel Jasmund im Nordosten der Insel Rügen und ist Deutschlands kleinster N.P. Die größten Buchenwälder an der Ostseeküste erstrecken sich hier über Hügel und Bach-täler, umschließen lichte Moore und Quellen. An der berühmten weißen Kreideküste (70 Mio. Jahre alt ist die Kreide) treffen schattige grüne Wälder auf das Blau des Meeres. Die UNESCO adelte die urigen alten Buchenwälder (493 ha) im Herzen des N.P.’s als Welterbe. 

Neben den N.P.’s gibt es weitere Gebiete, in denen Wildnis entstehen darf. Um sie kümmern sich Stiftungen oder die jeweiligen Bundesländer. Wildnisziel + Studie „Wildnisgebiete“: 2 % der Fläche Deutschlands sollen zu Wildnisgebieten werden (bisher lediglich 0,6 %): ⅓ Deutschlands ist mit Bäumen bewachsen – wild wuchern dürfen sie aber nur in N.P.’s und einigen Gebieten überwiegend in Ostdeutschland (BMEL ’20)Jährlich werden 76 Mio. m³ Holz geschlagen, 122 Mio. m³ wachsen aber nach. Nach einem Gutachten der Uni Würzburg ist beim Einschlag in Schutzgebieten Geldeinnahmen das Hauptmotiv – Schädlings-kontrolle Platz 2 . Lt. WWF seit 1990 weltweit 2,4 Mio. km² globaler Waldverlust = mehr als die Hälfte des Bestandes. Eine Waldkarte aus dem All zeigt, dass ca. ⅓ (≈ 4 Mrd. km²) der Landmasse auf der Erde mit Wald bedeckt ist. PS: Welt-weit werden jährlich 8,8 Mio. ha Wald gerodet (≈ ⅕ von Deutschland). Wenn man bedenkt: 1 ha Wald speichert pro Jahr über alle Altersklassen hinweg ≈ 13 t CO₂ ; der Wald entlastet jährlich die Atmosphäre in Deutschland um 58 Mio. t CO₂ (= 6 % der Gesamtemissionen – Quelle: 1 Tagesschau 1.8.19). 1,6 Mrd. Menschen sind direkt von Wäldern abhängig. Lt. Forstminister Peter Hauk (BW) anlässlich des „Internationalen Tag des Waldes“ nutzen täglich 2 Mio. Bürger den Wald für Freizeit & Sport (SWP 21.3.18).

Auszug Roland Knauer „Das Geheimnis der Buchen“: Der Klimawandel macht nicht nur Fichten zu schaffen, sondern auch Buhen.Manche kommen mit der Dürre aber besser zurecht. Warum, wollen Forscher aus ihrem Erbgut lesen. Die Förster Mitteleuropas beobachten den Klimawandel mit Argusaugen. Ist doch vielerorts die Buche der wichtigste Baum in den Wäldern. Beschert uns der Klimawandel Trockenperioden in Zukunft häufiger, könnte der wichtigste Baum vieler Wälder erheblich in Schwierigkeiten kommen. Es sei denn die Förster greifen auf Rotbuchen zurück, die mit Dürren besser zurecht kommen. Die Grundlagen für die Suche nach solchen Bäumen haben Marco Thines vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt/Main und seine Kollegen gelegt, als sie das Erbgut der Rotbuchen entschlüsselt haben. Dort können sie gezielt nach Erbeigenschaften suchen, mit deren Hilfe die Bäume solchem Wassermangel trotzen. Erbgut-Analysen gelten im 21. Jh. als Königsweg der Pflanzenzucht. „Wir haben uns deshalb gewundert, dass bisher niemand das Erbgut der Rotbuche analysiert hatte, während das Genom des Kohls längst bekannt ist, das Sicht viel schwerer untersuchen lässt“, sagt Marco Thines. Der Senckenberg-Forscher interessiert sich besonders für Pilzinfektionen. Auch bei solchen Pflanzenkrankheiten kann das Erbgut einiges über die Widerstandskräfte gegen solche Erreger verraten. (SWP/MENSCH UND NATUR 10.4.21).

i  Schon gewusst: Tatsächlich nimmt eine 100jährige Fichte im Laufe ihres Lebens ≈ 2,6 t CO₂ auf. Eine durchschnittliche Buche verarbeitet im Vergleich dazu 3,5 t CO₂. (NABU-Blogs/Thünen-Institut 9.6.21).

Zurück zum Urwald: Echte Urwälder, die von Anfang an vom Menschen unbeeinflusst wachsen konnten, gibt es nur noch sehr wenige – in EU z.B. der polnischen Białowieża-Urwald. (HF „Gondelfahrt Narew & Biebrza –Studienex-kursion Vorstand/Geschäftsführung Landesnaturschutzverband BW und Foto-Serie) oder das österreichische Wildnisgebiet Dürrenstein – größter Urwald Mitteleuropas, s.g. „Rothwald“.

Was fällt auf im wilden Wald? – Der Wirtschaftswald: ● Wird gehegt und für die Holzgewinnung optimiert. ● Die Bäume werden zur gleichen Zeit gepflanzt und sind gleich hoch. Das Erscheinungsbild ist gleichförmig. ● Bevor sie ausgewachsen sind, fällt man die Bäume.  ● Der Wald sieht „aufgeräumt“ aus, umgefallene Stämme werden meist entfernt.

Der wilde Wald: ● Das Leben von Flora & Fauna wird vielfältiger. ● Baumhöhlen und Totholz entstehen. ● Der Boden reichert sich mit Nährstoffen an. ● Die Bäume werden älter dicker und mitunter größer. ● Umgefallene Bäume bleiben liegen, es bilden sich Lichtungen.

Rückkehrer: Viele Jahre waren einige Tierarten hierzulande fast vollständig verschwunden, sie kehren durch besondere Schutzmaßnahmen z.T. jedoch langsam zurück. Während es in menschennahen Lebensräumen zu Konflikten kommen kann, bspw. der für Bayern unrühmliche Besuch im Jahre 1996 von „Bruno“, sind sie in den Wildnisgebieten uneingeschränkt willkommen und sollen dort unbehelligt leben können.

Quellen: SÜDWEST PRESSE/WISSEN/Zoologische Gesellschaft Frankfurt, Bundesamt für Naturschutz, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Bundesverband Naturwacht, Nationalparks; „Wälder für Menschen“ BMEL 5.1.21; „Deutschland, dein Wald“ ZEIT 51/2018; André Bochw „Wildes Deutschland“ SWP 22.2.19 + Yasemin Gürtanyel „Mehr Wildnis wagen“ /WISSEN 25.1.25; Google; Wald.de; Wikipedia.

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